Die EU gibt das Ziel nicht auf

Nach dem Scheitern der Kompromisssuche beim Zypernstreit: Erweiterungskommissar Rehn fordert die Regierungschefs auf, die UN wieder eine Lösung suchen zu lassen

BRÜSSEL taz ■ Der Erweiterungskommissar der EU, Olli Rehn, versuchte, seinen Landsmann Erkki Tuomioja mit einem alten finnischen Sprichwort zu trösten: „Der Lachs ist so ein edler Fisch, dass sich das Angeln immer lohnt – auch wenn man am Ende keinen fängt.“ Rehn sprach gestern in der Universität von Helsinki über die Beziehungen zwischen der EU und der Türkei. Nur wenige Stunden zuvor war 200 Kilometer nördlich in Tampere der letzte Versuch der finnischen Ratspräsidentschaft gescheitert, einen Kompromiss im Zypernstreit zu erreichen.

Nun ist die EU-Kommission am Zug. Noch vor dem nächsten Treffen der EU-Außenminister am 11. Dezember soll sie Empfehlungen abgeben, ob lediglich einige Politikbereiche in den Verhandlungen auf Eis gelegt wer-den (zum Beispiel das Thema Außenhandel) oder ob die Verhandlungen insgesamt ausgesetzt werden.

Rehn war gestern sichtlich bemüht, dramatische Töne zu vermeiden. Der Kommissar erinnerte daran, dass Finnland bereits die fünfte Ratspräsidentschaft sei, die keinen Fortschritt in der Zypernfrage erreicht habe. Er forderte die Regierungschefs auf, bei ihrem Gipfel in Brüssel Mitte Dezember eine Wiederaufnahme der UN-Gespräche über Zypern zu fordern. „Es liegt im Interesse der EU, eine Wiedervereinigung der Insel zu erreichen und damit einen Konflikt auf europäischem Territorium zu beenden, der nun mehr als vierzig Jahre andauert“, sagte Rehn.

Gleichzeitig warnte er diejenigen, die der Türkei grundsätzlich ein Recht auf Mitgliedschaft absprächen. Der EU-Parlamentarier Markus Ferber (CSU) hatte als Reaktion auf die geplatzten Gespräche zwischen dem türkischen und dem zypriotischen Außenminister gefordert, die Beitrittsverhandlungen auszusetzen. „Das Signal an Ankara muss sein, dass ein Bruch von Recht und Gesetz mit der europäischen Perspektive nicht vereinbar ist“, sagte Ferber.

Der grüne Europaabgeordnete Cem Özdemir sagte dagegen: „Die momentane Krise ist für viele offenbar ein willkommenes Mittel, die Verhandlungen mit der Türkei abzubrechen.“ Angela Merkel erklärte beim CDU-Parteitag in Dresden unter dem Beifall der Delegierten: Wenn die Türkei bis zum Jahresende nicht einlenke, müsse das Folgen haben. Merkel wiederholte auch ihre Forderung, der Türkei statt der Vollmitgliedschaft eine „privilegierte Partnerschaft“ anzubieten.

Seit dem Beginn der Verhandlungen im Oktober 2005 ist lediglich ein Bereich – das Kapitel Forschung und Wissenschaft – abgehakt worden. Weitere 34-mal müssen die Mitgliedsländer in den nächsten Jahren einstimmig beschließen, ein weiteres Kapitel zu öffnen und nach erfolgreichen Verhandlungen wieder zu schließen. Hebt nur ein einziges Land – zum Beispiel die griechische Republik Zypern – den Finger nicht, liegen die Verhandlungen auf Eis. Ganz ohne Zutun der künftigen EU-Ratsvorsitzenden Angela Merkel.

Daniela Weingärtner