neues aus neuseeland: feiges attentat auf einen riesen von ANKE RICHTER
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Als der Tod kam, war er kurz und gemein. „Drei Stichwunden“, sagt Bill Baker. Er stößt es zwischen braunfleckigen Zähnen hervor, bitter und wütend. Geschlagen, ja. Aber nicht gebrochen. „Diese Vandalen. Wahrscheinlich Kinder.“ Er steht am Rande einer ausgehobenen Grube, ein kurzer Mann in Baumfällerjacke. Das Haar ist grau, die Hand hält den Spaten. In der Grube zu Bakers Füßen liegt der Leichnam: Ein Kürbis von der Größe einer Mülltonne.

Tiefe Löcher und Risse überziehen das malträtierte Gemüse. Es ist ein Bild des Jammers, ein Monument der Brutalität, ein Fall für Amnesty Agricultural. Baker schnäuzt sich, dann schaufelt er Erde aufs Grab. Am Wochenende ist „Pumpkin Festival“ in Little River, aber er wird diesmal nicht dabei sein. Ruhe sanft, dicker Kürbis.

Das feige Attentat geschah, als Bill Baker sich von seinem Dauerwohnsitz, der Wohnwagensiedlung South Brighton, entfernte. Der oder die Täter rammten spitze Holzpflöcke in das dunkelgelbe Fleisch. 288 Zentimeter Durchmesser maß die Fruchtmasse zu dem Zeitpunkt. Als Baker den Schaden begutachtete, war ihm klar: Hier stirbt ein Rekord. „214,7 Kilo wog er“, seufzt der Züchter, „und es hätten über 500 Pfund werden können.“ Der Kürbis-Weltrekord liegt zur Zeit bei 680 Kilo.

Die Löcher versuchte er mit Paketklebeband zu kitten, aber es war bereits zu spät: Das gigantische Gemüse starb ab. Der Riese war gefällt. „Zuletzt hatte er an manchen Tagen bis zu zehn Kilo zugelegt“, sagt Baker und blättert in seinem Notizbuch. Darin hat er alles festgehalten, jede Lebensphase seines Kürbisses: „Es war, wie wenn der Mond zunimmt. Jedes Mal ein Stück größer.“

In der Subkultur der obsessiven Kleingärtner ist Bill Baker jetzt ein Held. Ein Märtyrer, der sich nicht geschlagen gibt, auch wenn Kürbiskiller ihr Unwesen treiben. Männer wie er wissen, was ein Garten hergeben kann. Bodentemperatur, Dünger aus Fischmehl, angerührter Schafkot – Wissen ist alles. Wenn es ums Ganze geht, müssen auch schon mal Bewässerungsschläuche um das Baby gelegt werden. „Es ist ein Kult“, gibt der schmächtige 66-Jährige zu. „Vielleicht liegt es daran, dass ich eher klein bin. Ich muss wohl kompensieren.“ Er war neun Jahre alt, als er mit einem selbst gezüchteten Kohlkopf den Wettbewerb an der Dorfschule in Milford gewann. Das lässt einen nicht mehr los.

Bakers Unterarm ziert der verwaschene Umriss einer ägyptischen Königin. „Ich war 16, kam in die Stadt und ging am Tattoo-Studio vorbei. Ich war halt ein Junge vom Land und dachte: ‚Das ist meine Lady.‘ Sie ist meine Freundin und mir immer treu geblieben.“ Er tätschelt das Tattoo und lacht. „Wenigstens sitze ich nicht im Pub und saufe, sondern treib’ mich im Garten rum.“

Im Wohnwagen steht eine Mikrowelle. Die Kürbisse, die es nicht auf Rekordgröße schaffen, werden geschlachtet und verputzt, „nur mit Salz und Pfeffer“. Bill Baker will einen Zaun bauen. Der künftige Riesenkürbis soll besser geschützt werden. Niemand darf die heranwachsenden Prachtexemplare sehen. Noch zwölf Monate bis zum nächsten Pumpkin-Festival in Little River, dann ist die Rache sein: „Ich hole den Rekord!“ Und der gemeuchelte Kürbis in seinem Grab? „Der ist dann längst Kompost.“