THEATER

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Die Spielpläne und Theater sind gerade so gähnend leer, dass man eigentlich nur das tägliche Stegreiftheater im Freibad empfehlen kann, wo Horden Halbwüchsiger ältere Brustschwimmerinnen und Brustschwimmer durch haarscharf kalkulierte platschende Terrorsprünge ins Wasser in Aufruhr versetzen. Wo kreischende Kinder und zeternde Mütter jeglichen Anschein friedlicher großstädtischer Sommerfrische im Keim ersticken und Rentnerpaare sich mit missmutig hinter gut gefüllten Kühltaschen verbarrikadieren. Oder schwarzgebrannte Bademeister am Beckenrand ihre Autorität und tätowierte Muskelpakete spazieren führen. Aber dann sind doch noch Theaterfunde zu vermelden. Mitten in Berlin. Unter der Überschrift „Die Kanzlerflüsterer“ wird im Kabarett „Die Distel“ nach des Volkes Stimme gefahndet. Man kann aber auch die Frau Bundeskanzlerin beim Wannenbad mit ihrem Gatten belauschen. Oder anderweitig Schräges von und über ihre(n) Beraterinnen und Spindoktoren vernehmen. In dieser Nummernrevue wird gesungen und gelegentlich auch die Mitwirkung des Publikums eingefordert. (Die Distel, 4., 5. und 6. 8., jeweils 20 Uhr)

Dass Angela Merkel überhaupt unsere Kanzlerin ist, haben wir wesentlich einem Ereignis zu verdanken, das sich in diesem Jahr zum 25. Mal jährt: dem Mauerfall am 9. November 1989. Diesem Termin hat das English Theatre Berlin einen Teil seiner nächsten Spielzeit gewidmet. Den Auftakt macht am 9. August „The Berlin Circle Audio Walk“. Dem (von David Brunet geführten) Walk zugrunde gelegt ist die szenische Kollage des US-Dramatikers Charles Mee „Berlin Circle“, die in Berlin just am 9. November 1989 angesiedelt ist. Man gelangt jetzt an drei reale Schauplätze des Dramas, das Berliner Ensemble, den Checkpoint Charlie und den Pergamonaltar. Letzter ist unter anderem auch deshalb empfehlenswert, weil das weltberühmte Kunstwerk (dem Peter Weiss in der „Ästhetik des Widerstands“ eine legendäre Beschreibung gewidmet hat) ab Herbst wegen Renovierung des Museums für mindestens fünf Jahre nicht mehr zugänglich sein wird. (English Theatre Berlin: „The Berlin Circle Audio Walk“, 9. und 10. 8., Treffpunkt 13 Uhr, Berliner Ensemble. Voranmeldung: www.etberlin.de, Tel. (0 30) 6 91 12 11)

Am Wochenende ist in den Sophiensaelen ein veritables Stück Tanztheater zu sehen: Sebastian Matthias’ Tanzrecherche „Study/Groove Space“ über Formen des Zusammenlebens und Bewegens in Berlin, die tägliche Dauerchoreografie, aus der es kein Entkommen gibt. Nicht mal ins Freibad. (Sophiensaele: „Study/Groove Space“, 8. und 9. 8. 19 Uhr)