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Parkdeck-Minigolf ohne Cityblick

PANORAMA Die Leute vom abgebrannten Festsaal Kreuzberg bieten Minigolf auf einem Parkhaus am Kottbusser Tor – als Nachnutzung einer Promo-Aktion einer Brauerei, deren Logo noch ziemlich präsent ist

Die urbane und bauliche Realität am Kotti ist erschreckend und faszinierend zugleich

VON ANDREAS BECKER UND MALTE GÖBEL

Minigolf als Zeitreise: Die Bahn könnte aus einem Albtraum der 80er stammen. Die 18 Stationen kennt man seit dreißig Jahren, den Vulkan, die Eckbahn, die mit den doofen Schienen, wo man eigentlich grade durchspielen könnte. Langweilig! Längst gibt es tausend lustige Ideen für Minigolfbahnen, siehe Tempelhofer Feld, siehe Indoor-Schwarzlicht. Also: Langweilig? Nein! Hier locken nicht die Bahnen, sondern die Location: Skalitzer Straße 133, durch einen abgerockten Hinterhof und ein Betontreppenhaus, raus aufs höchste Parkdeck. Voilà: der neueste Streich der umtriebigen Leute vom abgebrannten Festsaal Kreuzberg.

Die haben die Minigolfbahn auf dem obersten Parkdeck von X-berg Parking als Zwischennutzung übernommen. Aufgebaut hat die Bahn eine PR-Agentur im Auftrag einer Bremer Brauerei – eine gemeinsame Idee der Festsaal-Leute und Matze Hielscher von der Veranstaltungsagentur Mit Vergnügen. Ende Juli stiegen hier die „Beck’s Mix Open“, eine Werbeaktion. „Die Umsetzung wäre ohne die Unterstützung der Brauerei nicht möglich gewesen. Die fanden Minigolf auch gut“, sagt Björn von Swieykowski vom Festsaal Kreuzberg. Wieso überhaupt Minigolf? „Bei Beachvolleyball macht man sich immer schmutzig, Fußballplätze gibt es genug, Armdrücken fanden wir zu chauvinistisch.“ Minigolf sei gesellig, freundlich und etwas, wo fast jede_r mitmachen könne.

Bis Ende August kann man hier golfen, so lange man will, für nur einen eher symbolischen Euro Eintritt. Das tollste und mit Abstand überraschendste Element dieser Minigolfanlage sind aber die kleinen Stromschläge, die man beim Berühren der Bahnen bekommt: Man lädt sich beim Laufen auf dem grünen Kunstrasen wohl elektrisch auf. Und eine interessante Bahn ist doch dabei: auf der Betonrampe zwischen den oberen Parkdecks. Die hat ordentlich Gefälle. Hier hat sich die Brauerei mit Flaschenformen auf der Bahn verewigt und ist auch sonst noch ziemlich präsent: grüne Sonnenschirme und Sitzgelegenheiten aus leeren Bierkisten. Nur wer die Augen schließt und sich in einen der Liegestühle fläzt, kann die Location richtig genießen: direkt am Kotti, im fünften Stock, sehr ruhig. Hoch genug für eine Stadtübersicht ist das sowieso nicht.

Björn sieht die Brauereiwerbung pragmatisch. Ihm geht es vor allem darum herauszufinden, was hier überhaupt möglich ist, wie man den urbanen Raum auch mal anders nutzen kann. „Als Betreiber vom Festsaal Kreuzberg sind wir seit nunmehr fast zehn Jahren täglich am Kottbusser Tor unterwegs. Die dort herrschende urbane und bauliche Realität ist erschreckend und faszinierend zugleich. Wenn wir da eingreifen können, indem wir Brachflächen oder ungenutzte Räume wieder den Menschen zur Verfügung stellen, machen wir das gern.“

Tatsächlich ist dies ja auch nicht die erste Umnutzung einer Parkfläche. Am Einkaufszentrum Forum Neukölln hat sich auf dem früheren Aussichtsgeheimtipp, dem obersten Parkdeck, bereits der Szeneklub Klunkerkranich fest etabliert. Am Kotti gab es schon einmal eine alternative Nutzung, 2007 haben Leute von der Siebdruckwerkstatt Pony Pedro dort eine mehrwöchige Kunstaktion durchgeführt. Björn erinnert sich gern daran: „Es war sehr heiß, und ich habe zusammen mit Freunden beim Skat spielen auf dem Dach eine Flasche Pastis geleert, u. a. Christiane Rösinger und Doc Schoko traten auf.“

Seitdem gab es immer mal wieder die Pläne, dort auch von Festsaal-Seite etwas auf die Beine zu stellen. „Die Umsetzung war aber aufgrund der technischen Bedingungen aufwendig und teuer“, bedauert Björn. Heute ist das anders: Es gab Starthilfe, und so könnte die zunächst gesponserte Minigolfbahn der Auftakt sein für etwas Langfristigeres, oder, wie Björn es formuliert: „Ein Testballon, inwiefern es überhaupt möglich ist, dort eine andere Nutzung als das Parken zu kultivieren.“ Bis Ende August bleibt noch Zeit, um das herauszufinden.

Jetzt müsste nur noch der Festsaal Kreuzberg wieder öffnen, doch dessen Zukunft ist unklar: „Innerhalb der kommenden zwölf Monate wird es wohl keinen neuen Festsaal geben“, bremst Björn. Verhandlungen mit dem Eigentümer laufen, allerdings sind sie zäh: Er liebäugelt mit Komplettabriss und Neubau eines Bürogebäudes.

■ Minigolf: Parkhaus Skalitzer Str. 133, bis 31. 8., 16–22 Uhr, rooftopgolf.de, Res. (0152) 06 54 24 51

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