„Das muss er mit sich ausmachen“

Die Lübecker Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter ist eine der Initiatorinnen der umstrittenen Neuübersetzung der Bibel in „gerechter Sprache“. Ihr Amtsvorgänger Ulrich Wilckens bezeichnet die Übersetzung als „Häresie“ und sagte ein gemeinsames Podium ab

taz: Frau Bischöfin Wartenberg-Potter, der Lübecker Alt-Bischof Ulrich Wilckens hat ein Gutachten über die von Ihnen mit initiierte neue Bibelübersetzung geschrieben. Darin kommt er zu dem Schluss, es handele sich um Ketzerei und Häresie. Was sagen Sie dazu?

Bärbel Wartenberg-Potter: Dazu will ich mich gar nicht äußern. Das muss er mit sich ausmachen.

Wilckens sollte gestern Abend an einer Podiumsdiskussion über die Neufassung der Bibel teilnehmen, er hat abgesagt. Sind die Fronten derart verhärtet, dass es keinen Dialog mehr geben kann?

Es wird gestritten, und das ist für Protestanten kein Sündenfall. Wir werden den Dialog fortführen. Es geht um die Erneuerung der Frömmigkeitssprache und die Erneuerung der Kirche. Dialog ist dabei immer unser Weg.

Haben Sie mit solch heftigen Reaktionen auf die Neuübersetzung gerechnet?

Ja, damit hatte ich gerechnet. Es ist ein kreativer Konflikt, der tief in religiöse Fragen eingreift.

Warum war denn überhaupt eine Neufassung nötig?

Die Übersetzung antwortet auf drei Herausforderungen. Die erste ist, dass wir mit der antijudäischen Lesart einiger Bibelsätze einen Beitrag geleistet haben zu einer der größten Katastrophen, nämlich der Vernichtung des europäischen Judentums. Zweitens wird in der globalisierten Welt das Leiden nicht mehr wahrgenommen, die Stimme der Gerechtigkeit wird nicht mehr gehört. Die Gläubigen sollen wissen, dass das nicht vereinbar mit der Bibel ist. Und drittens: Bis heute schließen viele christliche Kirchen, übrigens in großer Übereinstimmung mit dem Islam, dem Buddhismus und Teilen des Judentums, Frauen vom Kultus und von Ämtern aus. Diese Bibel versucht, mit den Mitteln der Sprache diese Dinge deutlich zu machen.

Dazu benutzen Sie neue Begriffe, unter anderem sprechen Sie von Jüngerinnen. Außerdem wird Gott unter anderem als „die Heilige“ bezeichnet.

Gott wird weiter als Vater bezeichnet, aber eben nicht nur. Der Vaterbegriff meint eine besondere Art des Vertrauens. Alle in der Bibel verwendeten Begriffe für Gott sind Bilder und Metaphern, die wir in der Neufassung erweitern.

Glauben Sie, dass die gerechte Bibel in einigen Jahren Grundlage wird und in dieser Form auch von den Kanzeln gepredigt wird?

Die Neuübersetzung wird sicher Anregungen geben, vor allem zum mündigen Lesen der Bibel, da sie ein Handwerkszeug bietet, sich eine Meinung zu bilden. Diese Fassung wird Einfluss nehmen auf spätere Übersetzungen. Sie ist nicht mehr wegzudenken. Die Autorinnen und Autoren sagen schon selbst, dass einiges überarbeitet und verändert werden sollte. Die Bibel ist immer wieder übersetzt worden, und ich denke nicht, dass die Lutherfassung verschwinden wird. Aber auch die hat ja bereits mehrere Änderungen erlebt.

INTERVIEW: ESTHER GEISSLINGER

Ulrike Bail, Frank Crüsemann, Marlene Crüsemann (Hg.): Bibel in gerechter Sprache. Gütersloher Verlagshaus 2006, 2.400 Seiten, 24,95 Euro