„Wir grinsen zurück“

Nürnberg spielt seit anderthalb Jahren mit nahezu derselben Mannschaft. Auch deshalb ist der Club so gut

NÜRNBERG taz ■ Um zu erklären, warum Hans Meyer genau der Richtige für den 1. FC Nürnberg ist, geht der Manager einkaufen. In eine fränkische Metzgerei. „Hier kommen die Leute rein und rufen, sie haben bestimmt keine Gelbwurst. Da passt Hans Meyer mit seinem Understatement bestens rein“, sagte Martin Bader und berichtet von etwas, was einem mittleren Wunder gleichkommt: „Gestern hat er mal die Mannschaft gelobt.“

Es ist natürlich noch viel mehr, was Meyer so gut passen lässt ins neue Nürnberger Glück. Aber auch nach dem 1:0-Sieg über Cottbus, der die Nürnberger auf dem Uefa-Cup-Rang fünf stehen lässt, bleibt der Thüringer Meyer sich treu. Und zwar so: „Wir haben neuerdings den einstelligen Tabellenplatz als Ziel. Das scheint mir inzwischen ein wenig zu niedrig zu sein.“ Oder: „Die Bayern jagen – Ich glaube, das hätten sie gerne im Frankenland.“ Es ist immer wieder diese beißende Ironie, die Meyer so unbeteiligt locker und distanziert wirken lässt. Trotz der großen Euphorie um ihn herum. Das verleiht dem 63 Jahre alten ehemaligen Chemnitzer, Herthaner und Gladbacher die Aura eines beneidenswert Unabhängigen. Schon wird gemeldet, dass der Verein die Sonderedition T-Shirts vom 3:0-Sieg über Bayern München nachdrucken lässt, wegen des großen Andrangs. „Früher“, sagt Bader, „da hatte man als Club-Fan das Büßerhemd an. Die Leute kamen ins Geschäft und mussten zuschauen, wie die Bayern-Fans ihr Fähnchen schwenkten. Heute grinsen wir zurück.“ Es ist Montag in Nürnberg, der Tag, seit dem der Stolz der Franken in den Zeitungen den Titel „Jäger der Bayern“ verpasst bekam. Das ist fast so viel Wert wie eine Meisterschaft. Präsident Michael A. Roth steht mit roten Wangen da und schaut aus wie ein kleiner Junge, der seine Eisenbahn zu Weihnachten bekommen hat. „Er kann endlich genießen“, sagt Bader. Seit der Klub kein Abstiegskandidat mehr ist, sondern eine Mannschaft, die es in den Uefa-Cup schaffen kann. „Was hier passiert, sind keine Zufälle. Wir spielen mehr oder weniger mit der gleichen Mannschaft und das seit der Rückrunde der vergangenen Saison.“

Schon damals standen Rekordwerte zu Buche. Jetzt wieder. Vier Siege, ein Unentschieden, das taugt für die beste Rückrundenmannschaft. 41.000 Zuschauer am Sonntagabend gegen Cottbus. Vor Monaten kamen gegen Wolfsburg 16.000. In Nürnberg ist nichts mehr, wie es einmal war, was auch für die Personalpolitik gilt. „Die Mannschaft fürs nächste Jahr ist weitgehend zusammen. Wir haben es erstmals geschafft, alle Leistungsträger langfristig zu binden“, so Bader. „Das lässt uns ruhig bleiben, egal, wer da kommt.“

Und der Meyer Hans? Er passt wie die „Faust aufs Auge“ (Bader). Junge Mannschaft, erfahrener Trainer. Sie hören ihm zu. Mit Meyer kam eine Idee mit nach Nürnberg. Drei Spitzen, sichere Abwehr, neues Selbstvertrauen. Das schöne Gefühl, nicht mehr zwangsläufig Spielball der Konkurrenz zu sein, machte sich breit. Jetzt attackieren sie. Mit den Stürmern Robert Vittek, Ivan Saenko und Markus Schroth. Und das bei nur 17 Gegentoren. Ligarekord. Zwei Niederlagen stehen nach 22 Spielen in der Tabelle. Wieder Ligaspitze. Dazu die guten Einkäufe. Thomas Galasek, der tschechische Nationalspieler, Abräumer und Aufbauspieler vor der Abwehr. Der Brasilianer Glauber, der Slowake Tomas Gresko.

„Seine Arbeit kommt hervorragend an. Es steckt ein Plan dahinter und ein Ziel, wir haben eine gewisse Stabilität“, sagt Bader über Meyer, den er aus Berlin nach Nürnberg holte. Der Club will sich dauerhaft in der Bundesliga etablieren. „Manche aber“, sagt Bader, „vergessen, wo wir herkommen. Es ist noch nicht lange her, da hat Peter Neururer als Trainer auf meiner Mailbox abgesagt und wir hatten 0:1 gegen Stuttgart verloren. Keiner hat einen Cent auf uns gesetzt.“ Und der Sport-Ökonom Bader verweist auf schlechte Vorbilder wie Bochum und Frankfurt. Die einen abgestiegen nach dem Ausflug in den Uefa-Cup, die anderen in Schwierigkeiten. „Auch wir müssen Strukturen verbessern und international aufholen.“ Den Uefa-Cup, so er passiere, „nehmen wir natürlich mit“. Das Schönste aber sei, „zehn Mannschaften kämpfen gegen den Abstieg und der Club hat nichts damit zu tun“.

OLIVER TRUST