Freundschaft steht vor der Wahrheit

Gemeinsame Kommission von Indonesien und Osttimor soll Vergangenheit aufarbeiten. Kritiker zweifeln

BERLIN taz ■ Die prominentesten Zeitzeugen sind gestern gar nicht erst erschienen, als die von Indonesien und Osttimor etablierte Wahrheits- und Freundschaftskommission auf Bali ihre erste Anhörung durchführte. Die Kommission soll Menschenrechtsverletzungen während des 1999 durchgeführten osttimoresischen Unabhängigkeitsreferendums untersuchten.

Als sich die Osttimoresen mehrheitlich für die Lösung von ihrer Besatzungsmacht entschieden, ermordeten proindonesische Milizen rund 1.500 Menschen und vertrieben mehr als 200.000. In fünf öffentlichen Anhörungen will die Kommission bis Juni 78 Zeugen über das damalige Geschehen befragen, unter ihnen ranghohe Politiker.

Doch weder der damalige indonesische Präsident B. J. Habibie noch Osttimors amtierender Präsident Xanana Gusmão machten gestern ihre Aussagen. Habibie wird gerade in Deutschland medizinisch behandelt, Gusmão ist im Vorfeld der Wahlen im April zu beschäftigt. Statt dessen wiederholte Indonesiens Exaußenminister Ali Alatas bekannte Positionen: Man habe das Ausmaß der Gewalt nicht voraussehen können. Im Übrigen gelte es, endlich nach vorn zu schauen und die Vergangenheit ruhen zu lassen. „Das ist im Interesse unserer beiden Staaten“, so Alatas.

Menschenrechtsgruppen befürchten ohnehin, dass die Kommission nichts zur Gerechtigkeit für die Opfer der Gewalt beitragen wird. Zum einen bezieht sich ihr Mandat nur auf die Unruhen von 1999 und nicht auf die gesamte indonesische Besatzungszeit seit 1975, während der etwa 200.000 Osttimoresen getötet wurden. Zwar fanden in Indonesien mehrere Schauprozesse statt. Nicht ein ranghoher Militär oder politisch Verantwortlicher wurde jedoch für die blutigen Gewaltakte zur Verantwortung gezogen. Eine Farce seien die Prozesse gewesen, hatte auch ein UN-Expertenteam festgestellt.

Die nun tagende „Freundschaftskommission“ kann zwar Amnestien empfehlen, aber keine Anklagen. Kritiker befürchten, dass damit Straflosigkeit zementiert wird. „Die Überlebenden der Massaker in Osttimor sind sehr enttäuscht, dass auch ihre eigene Regierung nicht in ihrem Sinne handelt“, konstatierte kürzlich das Asian Forum for Human Rights and Development. Vor den Folgen für Osttimors Zukunft warnen Menschenrechtler seit langem. „Weder gab es einen ausreichenden Prozess der Vergangenheitsaufarbeitung, noch gibt es Gerechtigkeit. Das Ergebnis ist, dass viele denken, sie können Häuser anzünden und dann einfach davonspazieren“, so Joaquim Fonseca, Menschenrechtsberater der osttimoresischen Regierung. Doch auch seine Dienstherren in Dili verweisen immer wieder auf die Wichtigkeit der guten Beziehungen zum großen Nachbarn Indonesien. ANETT KELLER