Opel: Zurück auf dem Laufsteg

Mit der Vergabe des neuen Astra entscheidet sich die Zukunft des Bochumer Opel-Werks. Zwei Jahre nach Streik und harter Sanierung muss der Standort beweisen, dass er „schlank“ genug ist

VON KLAUS JANSEN

Rainer Einenkel kann in diesen Tagen einen Schlussstrich ziehen. 2.700 Abfindungsverträge hat der Betriebsratsvorsitzende des Bochumer Opelwerks unterschrieben vorliegen. Zwei Jahre nach Abschluss des härtesten Sanierungsvertrages der Standortgeschichte kann er deswegen verkünden, dass der Personalabbau beim Autobauer beendet ist. Ohne betriebsbedingte Kündigungen. Für Opel Bochum geht damit ein Kapitel zu Ende, das im Sommer 2004 mit der Drohung des Mutterkonzerns General Motors (GM) begann, das alte Werk zu schließen – und das im Spätherbst desselben Jahres in einem der spektakulärsten Arbeitskämpfe der Region endete.

Es ist wohl kein Zufall, dass der Abschluss der Sanierung ausgerechnet jetzt verkündet wird. Denn in den kommenden Wochen beginnen die Verhandlungen darüber, wer ab dem Jahr 2010 den Nachfolger des Opel Astra produzieren darf. Mit Bochum, dem belgischen Antwerpen, dem britischen Ellesmere Port, dem polnischen Gliwice und dem schwedischen Trollhättan bewerben sich fünf Fabriken um den so genannten Opel Delta II. Geht es nach der GM-Zentrale in Detroit, dann werden nur drei, maximal aber vier Standorte gebraucht. Mindestens einem Werk droht die Schließung – da will Bochum zeigen, dass es seine Hausaufgaben gemacht hat.

In den nächsten Monaten befinden sich die Autofabriken in einem so genannten „Schönheitswettbewerb“. Man werde „das Marktvolumen, die Kostenstrukturen und die Löhne in den verschiedenen Ländern analysieren“, heißt es in einer Erklärung der GM-Europazentrale in Zürich. Der Bochumer Betriebsratschef Einenkel rechnet mit einer Entscheidung noch im Frühjahr. Opel-Sprecher Ulrich Weber sagt, man werde „in Ruhe diskutieren“.

In Bochum bangen die noch 6.200 Opel-Beschäftigen und die zahlreichen Mitarbeiter in der Zuliefererindustrie nun wieder um ihre Jobs. Zwar hatte GM allen westeuropäischen Werken im Dezember eine Zukunft bis mindestens 2012 versprochen – für Betriebsrat Einenkel war das jedoch nur eine Absichtserklärung, eine „schöne Botschaft kurz vor Weihnachten“.

Die Arbeiter sehen eine „akute Gefahr“ schon vorher: 750.000 neue Astras will GM bauen, in Europas Werken sind jedoch Mitarbeiter für 1,1 Millionen Autos angestellt. Hinzu kommt die Angst, dass GM bei einer möglichen Übernahme der Noch-Daimler Tochter Chrysler noch mehr Jobs abbauen könnte. Die Arbeitnehmervertreter fordern den Erhalt aller Standorte: „Wenn an eines der Werke die Hand gelegt wird, würde das einen europäischen Flächenbrand auslösen“, droht der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz.

Trotzdem beginnt nun in allen Werken das große Rechnen: Wer ist „schlank“ genug – und wen würde es treffen, wenn ein Werk dicht gemacht wird? Die alte Fabrik in Bochum ist bei der Konzernspitze seit langem unbeliebt, wenn auch wegen der Kampfbereitschaft der Arbeiter aus dem Ruhrgebiet gefürchtet. Betriebsratschef Einenkel wehrt sich gegen den Vorwurf, dass Bochum unrentabel sei: „Wir haben die höchste Auslastung von allen“, sagt er. Gehe es nach den Kosten pro hergestelltem Auto, liege Bochum in den konzerninternen Vergleichsrechnungen vorn. Gehe es nach der Fertigungszeit pro Auto, schneide Antwerpen gut ab. Branchenkenner gehen dennoch davon aus, dass diese beiden Werke neben dem britischen Ellesmere Port am gefährdetsten sind.

„Die Belegschaft ist bereit, schmerzhafte Kompromisse einzugehen. Aber sie ist auch bereit, den Herbst 2004 zu wiederholen“, sagt der Bochumer Betriebsratschef Einenkel. In den Erklärungen von GM Europa schwingt weniger Pathos mit: „Die Erhöhung der Produktivität zur Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit ist Teil des Tagesgeschäfts in all unseren Fabriken“, heißt es dort.