Orientexpress fährt langsam weiter

EU-Kommission schlägt Aussetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in 8 von 35 Kapiteln vor, hofft aber weiter auf Einlenken Ankaras. Regierungschef Erdogan bezeichnet Vorschlag als inakzeptabel. Entscheidung fällt am 11. Dezember

AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER

Die EU drosselt das Tempo der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, bricht aber die Gespräche nicht ab. So lautet die Empfehlung für den Ministerrat, auf die sich die EU-Kommission gestern in Brüssel verständigte. Erweiterungskommissar Olli Rehn betonte mehrfach, dass die Union die Tür nicht zuschlagen will: „Das ist kein Zugunglück. Der Zug wird nur langsamer fahren“, sagte er in Anspielung auf frühere Reden, wo er die Verhandlungen „eher als Orientexpress denn als ICE“ beschrieben hatte.

Die Kommission veröffentlichte ihren Vorschlag eine Woche früher als geplant. Damit solle den EU-Regierungen Zeit gegeben werden, sich vor dem Außenministertreffen am 11. Dezember auf eine einheitliche Position zu einigen. Es hätte außerdem keinen Sinn gehabt, weiter zu warten, nachdem am Montag die finnische Ratspräsidentschaft den letzten Vermittlungsversuch als gescheitert erklärt hatte, sagte Rehn. Er machte aber auch deutlich, dass er hofft, durch den Druck die Türkei noch rechtzeitig vor dem Außenministertreffen zum Einlenken zu bewegen: „Die Türkei hat immer noch genug Zeit, um ein Golden Goal zu schießen“, sagte der Erweiterungskommissar.

In ihren Empfehlungen hält die Kommission einen Mittelweg zwischen der britischen Forderung, nur 3 Kapitel zu sperren, und Frankreich, das 17 Kapitel ausnehmen wollte. Die Juristen der Kommission seien zu dem Schluss gekommen, dass 8 der 35 Verhandlungskapitel unmittelbar den freien Warenverkehr berührten und deshalb erst eröffnet werden könnten, wenn Ankara seine Handelsbeschränkungen gegenüber der griechischen Republik Zypern aufhebe, sagte Rehn. Dabei handelt es sich um die Bereiche Freier Warenverkehr, Dienstleistungen, Landwirtschaft, Finanzdienstleistungen, Fischerei, Verkehr, Zollunion und Außenhandel. Rehn wiederholte die Überzeugung, die er schon am Freitag bei einer Rede in Helsinki zum Ausdruck gebracht hatte: Gespräche über die Wiedervereinigung Zyperns müssten sofort unter UN-Regie wiederaufgenommen werden. Das sei gleichermaßen wichtig für die EU und für die Türkei. Einen anderen Weg gebe es nicht. Ankara reagierte gestern scharf auf die Teilaussetzung der Verhandlungen. Medien zufolge bezeichnete Ministerpräsident Erdogan den Vorschlag der EU-Kommission als „inakzeptabel“.