Verschrobenes zum Liebhaben

KRAUSES Das Polyhymnia-Festival widmet sich dem Krautrock, diesem seltsamen und bis heute gern exportierten Soundgewächs aus Deutschland

Ist einfach ein hübsches Wort: Krautrock. Schmeckt verschroben und kraus und ist dabei robust genug, mittlerweile sogar eine doppelte Bedeutung zu tragen. Einerseits meint man damit weiterhin schlicht den historischen Bestand an Krautrockbands der späten 1960er und frühen 1970er, doch inzwischen wird Krautrock auch gern als Genrebezeichnung für allerlei verschrobene Musik genommen, die sich nicht recht fassen lässt und auch gar nicht mehr aus Deutschland kommen muss.

Von diesem Hineinwachsen des Krautrock in die Gegenwart will man jetzt am Wochenende beim Polyhymnia-Festival hören lassen, bei dem am heutigen Freitag im Maria Bands wie Von Spar und atelierTheremin aus Berlin spielen, die sich neu am Krautrock abarbeiten. Am Samstagnachmittag soll in einer Diskussionsrunde geklärt werden, ob Kraut und Prog tatsächlich im 21. Jahrhundert angekommen sind. Und als Schmankerl aus der Geschichte gibt es am Samstagabend ein Konzert mit Goblin, italienische Prog-Rocker, die mit ihren Soundtracks für die Dario-Argento-Horrorfilme bekannt geworden sind.

Dass aber der Krautrock nicht einfach in der Geschichte zurückgelassen wurde, liegt an einem Wertewandel des Begriffs. Eine Wende zum Guten. Fasste man damit zuerst in einem spöttisch gewendeten Made in Germany einfach alles, was in Westdeutschland ab Ende der Sechziger bis in die Mitte der Siebziger an Rockmusik gewerkelt wurde, wurde mit der Zeit aus dem ganzen Kraut mit allen Rüben erst das Besondere herausgeklaubt. Diese Arbeit machte man sich dankenswerterweise vor allem in Großbritannien, wo auch für Abseitiges aufgeschlossene Hörer wie die DJ-Legende John Peel diese manchmal unglaublich seltsame Musik aus Deutschland sortierten oder sogar gleich selbst machten wie der Krautrock-Fan David Bowie in einigen Stücken, die er in seinen Berliner Tagen unter der Aufsicht von Krautrock-Fan Brian Eno eingespielt hat.

Längst sind es die immergleichen Bandnamen, die als vorbildhaft genannt werden, Can, Cluster, Faust, Neu!, Amon Düül und als Erfolgsband natürlich Kraftwerk. Beim Reimport dieses Kanons wurde in Deutschland beim Blick auf die eigene Rockgeschichte damit gern auch gleich die Sichtweise adoptiert, als hätte man in den Pioniertagen tatsächlich unentwegt nur diese wenig hitparadentaugliche und gern improvisierte Musik mit den Anschlüssen an Minimal Music, Psychedelic, frühe elektronische Experimente und sonstige musikalische Bewusstseinserweiterung gehört – und nicht zwischendurch auch den kompakten Hardrock von, sagen wir mal, den Scorpions.

Aber aus retuschierter Geschichte entstehen ja erst Legenden. Und die werden durchaus gepflegt. Und zwar – trotz eifrigem Krautrock-Namedropping auch hier in den Medien – im Ausland wieder mal ein wenig mehr. Jedenfalls verkauft man beim Bureau B, dem Hamburger Fachlabel für alten und aktuellen Krautrock, das Meiste in die USA und nach Großbritannien, wo die Nachfrage nach diesem deutschen Kulturgut deutlich höher ist als in Deutschland selbst. 5.000 verkaufte Platten weltweit gelten dabei bereits als ein großer Erfolg, auch bei Wiederveröffentlichungen von als legendär gehandelten Krautrock-Klassikern wie die frühen Alben von Cluster.

Also eine Liebhaberveranstaltung. Eigentlich wie früher. Was den Krautrock ja so charmant macht. THOMAS MAUCH

■ Polyhymnia-Festival: 18./19. 3. Maria. 14/19 €, Kombiticket 25 € www.amstart.tv/polyhymnia.html