Türkei mit dem Papst versöhnt

Am dritten Tag seines Türkeibesuchs betet Benedikt XVI. in der Blauen Moschee und trifft den orthodoxen Patriarchen Bartholomäus, um eine Wiederannäherung einzuleiten. Die türkische Öffentlichkeit zeigt sich vom Papst begeistert

AUS ISTANBUL JÜRGEN GOTTSCHLICH

Mit einem Gebet in der berühmten Blauen Moschee, gemeinsam mit dem Großmufti von Istanbul, dürfte Papst Benedikt XVI. endgültig die Empörung, die seine Regensburger Rede zuvor in der islamischen Welt ausgelöst hatte, vergessen lassen. Der Besuch der Blauen Moschee am gestrigen Nachmittag war erst kurz vor Beginn seiner Türkeireise ins Programm aufgenommen worden. Nachdem er zuvor die frühere Hauptkirche Konstantinopels, die Hagia Sophia, die heute ein Museum ist, besichtigt hatte, wandte er sich anschließend der gegenüberliegenden Moschee zu. In der Begleitung des Istanbuler Muftis ließ er sich die Moschee zeigen und verharrte dann in einer kurzen Andacht gemeinsam mit dem Mufti vor der Gebetsnische des islamischen Gotteshauses. Der Mufti bedankte sich anschließend für die eindringliche Friedensgeste des Papstes an diesem symbolischen Ort. Beide überreichten sich gegenseitig Kunstwerke, auf denen Friedenstauben abgebildet waren.

Begonnen hatte der dritte Tag des päpstlichen Türkeibesuchs mit einer feierlichen Messe in der prächtigen Kathedrale des griechisch-orthodoxen Patriarchats in Istanbul. Die zweistündige Messe, an der Papst Benedikt als Gast des Patriarchen Bartholomäus I. teilnahm und in deren Anschluss die beiden Religionsführer eine gemeinsame Erklärung verlasen, galt als spiritueller Höhepunkt der Reise. Nach einer fast tausendjährigen Trennung wollen Papst und Patriarch jetzt aufeinander zugehen.

Die Unterschiede zwischen beiden Kirchen liegen in Tradition und Liturgie. Außerdem akzeptiert die orthodoxe Kirche natürlich weder den Führungsanspruch des Papstes noch seine Unfehlbarkeit. Als besonderes Entgegenkommen bot der Papst deshalb einen konstruktiven Dialog über das „Petrusamt“ an. Ansonsten, so betonen beide Seiten, seien ihre Differenzen geringer als die zwischen Katholiken und Protestanten. In einer Zeit, da zumindest in Europa der Einfluss der Kirchen schwindet, sucht Rom den Schulterschluss mit der Orthodoxie, um sich gegenseitig zu stärken.

Während Bartholomäus I., der als Patriarch von Konstantinopel zwar als spiritueller Führer der gesamten Orthodoxie gilt, liegt die Macht jedoch längst bei den Patriarchen in Athen und vor allem in Moskau. Die russische Kirche zeigt jedoch wenig Neigung, mit Rom zusammenzuarbeiten. Sie droht sogar damit, katholische Gemeinden in Russland verbieten zu lassen. Papst Benedikt hofft deshalb, über Bartholomäus mit der Zeit auch die Widerstände in Russland überwinden zu können.

Nach der Messe zeigten sich der Papst und der Patriarch gemeinsam auf dem Balkon des Amtssitzes von Bartholomäus. In ihrer anschließenden Erklärung betonten sie zwar die christlichen Wurzeln Europas, ohne aber andere Religionen ausschließen zu wollen. Allerdings betont die Erklärung in Anspielung auf die Situation der orthodoxen Kirche in der Türkei, Religionsfreiheit sei ein Gütesiegel der Europäischen Union.

Zum Abschluss des Papstbesuches heute wird Bartholomäus I. im Gegenzug als Gast an einer Messe teilnehmen, die Benedikt in der Heiligen-Geist-Kirche zelebriert. Bisher sprechen alle Beteiligten einhellig über den Erfolg der Papstreise. Nicht nur die orthodoxe Kirche ist angetan von Benedikt, auch in der türkischen Öffentlichkeit hat es nach der anfänglichen Ablehnung einen Meinungsumschwung gegeben. Nach dem gestrigen Auftritt in der Moschee könnte der Besuch tatsächlich zu einer echten Entspannung zwischen den Religionen beitragen.