Stoibers neues Amt: Mahner vom Dienst

Der Politische Aschermittwoch der CSU stand im Zeichen des Abschieds von Edmund Stoiber. Der gab gestern den Elder Statesman. Er kündigte an, der Partei als Wächter erhalten zu bleiben und seinem Nachfolger das Leben schwer zu machen

AUS PASSAU MAX HÄGLER

Bei seinem letzten Auftritt beim „größten Stammtisch“ der Welt stellte Edmund Stoiber gestern so ziemlich alles in den Mittelpunkt, was Bayern, Deutschland und den Rest bewegt. Und alles in den Schatten, was es an Marathonreden jemals gegeben hat.

Drei Stunden lang spannt Stoiber den großen Bogen, von Breschnew bis zum Kaiser von Japan (der ihn einmal empfangen hat). Vom CO2 bis zu den Kruzifixen (die immer hängen bleiben werden, solange die CSU regiert). Von den Grünen bis zu den Türken (denen man einen Riegel vorschieben muss). Und natürlich redet Stoiber von Franz Josef Strauß, seinem Ziehvater, der 1988 während seiner Amtszeit als Ministerpräsident gestorben ist. „Das ist der Unterschied“, ruft er. „Edmund Stoiber, der ist 65. Aber fit und munter, meine Damen und Herren.“

Kraft und Erfahrung, das sind Stoibers Schlagworte an diesem Tag. Und damit hat er nach drei Stunden, unterbrochen von manchen Edmund-Rufen, den Wandel vollzogen vom bockigen Ministerpräsidenten zum allwissenden Elder Statesman, zum größtmöglichen, noch lebenden CSU-Denkmal. Und vor allem zum größten Mahner seiner Partei. Das ist vielleicht die größte Erkenntnis, die der Aschermittwoch 2007 gebracht hat, der als die zentrale Legitimierungsinstanz bayerisch-bierseliger Politik gilt: Stoiber wird Bayern erhalten bleiben, auch nach dem letzten Septemberwochenende, an dem er seine Ämter abgeben wird – den Ministerpräsidentensessel an seinen Stellvertreter, den bayerischen Innenminister Günther Beckstein.

Um den zweiten Job, den Vorsitz der stärksten Volkspartei Europas, streiten sich Becksteins Tandemfahrer Erwin Huber und Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer. Dieser Zwist übrigens ist kaum ein Thema an diesem Aschermittwoch. Das liegt zum einen daran, dass Kontrahent Seehofer gar nicht erst angereist ist ins niederbayerische Stammland von Erwin Huber.

Huber ist ganz angetan von so viel Demut des Feindes und lässt sich herab zu einem „Ich reiche Seehofer die Hand“. Schließlich brauche man dessen soziale Kompetenz. Ansonsten hört man von Huber, dem Möchtegern-Chef, was man von ihm seit seinem Tandemputsch im Januar immer hört: „Es sollen alle hier wissen: Günther Beckstein und ich sind ein Tandem, das gemeinsam in die Pedale tritt für Bayern und die CSU.“ Mauen Beifall gibt es für solche Worte, keine Buhrufe zwar, aber auch keine Begeisterung. „Ich kandidiere als Mann der Mitte und Mann der Basis“, ist auch so ein Satz, den ihm die 6.000 Menschen in der Passauer Drei-Länder-Halle nicht so recht abzunehmen scheinen. Zu sehr hat er in den letzten Jahren die Bayern vergrätzt mit seinem Reformkurs, den er in Stoibers Namen unerbittlich durchsetzte.

Aber vor allem sollen Stoiber und seine 14 Regierungsjahre gefeiert werden. Und das übernimmt der Noch-Ministerpräsident als Hauptredner dann souverän selbst. „Ich frage mich, hast du das Land gut verwaltet, den Reichtum vielleicht sogar vermehrt“, fragt er. Seine Antwort: Er höchstselbst habe als Kanzlerkandidat 2002 den Ausschlag gegeben, dass die Union der Türkei die EU-Mitgliedschaft verweigert. Er sei es gewesen, der die Arbeit der traditionellen Bauern gegen rot-grüne Schreibtischtäter verteidigt habe. Und zuletzt habe er den Bayernbonus bei der Gesundheitsreform durchgedrückt. „Das wäre ohne die CSU und ohne mich überhaupt nicht möglich gewesen.“

Stoiber setzt sich souverän über sein Redemanuskript und die Redezeit hinweg und droht und mahnt ausführlich. „Ich wollte, dass Bayern die Benchmark ist, die ist sie jetzt“, sagt er, „dieser Erfolg muss fortgesetzt werden!“ Niemals dürfe Bayern finanziell abhängig werden von anderen, ruft Stoiber in die Halle. Er werde jeden Nachfolger mit aller Macht daran hindern, den derzeit ausgeglichenen Haushalt anzugreifen. Und mit Blick auf den Herbst, wenn er abtritt, meint er: „Die Leute werden sich daran gewöhnen, dass ich manches deutlicher ausspreche als in der Vergangenheit.“ Wenn Ehe, Familie und Religion nichts mehr wert seien in der CSU, „dann sind auch die 50 Prozent weg“, mahnt er. „Das sage ich all denen, die denken, nur in der Progressivität liegt die Zukunft!“

Und mit Blick auf den Putsch gegen ihn und seine Kritikerin Gabriele Pauli: „Ich warne alle: Haltet mir den Laden zusammen!“ Die fränkische Landrätin ist übrigens auch nach Passau gereist, im September will sie als stellvertretende Vorsitzende kandidieren – viele Stimmen aus Niederbayern wird sie dabei nicht bekommen. „Pauli raus!“, erschallt es immer wieder, wenn Stoiber auf Disziplin, Geschlossenheit und die Notwendigkeit einer starken Parteiführung zu sprechen kommt.

So weit geht es gar, dass Pauli, im schlammgrünen Wildlederdirndl, von zwei strengen und athletischen Herren durch die Halle geleitet wird. Ob es wirklich Bodyguards sind, bleibt an diesem Tag unbeantwortet, sie meint nur lächelnd zu den Buhrufen: „Das ist Ausdruck von Emotion.“