Fundamentalopposition im Schlafsack

Heute will der neue konservative Präsident Felipe Calderón sein Amt antreten – wenn die linke Opposition das zulässt. Deren Abgeordnete besetzen seit Tagen das Parlamentspodium. Auch in Oaxaca sind die Sicherheitsmaßnahmen verschärft worden

AUS MEXIKO-STADTWOLF-DIETER VOGEL

Wenn Mexikos gewählter Präsident Felipe Calderón heute sein Amt antritt, wird er das unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen tun. Metallbarrikaden sowie Tausende von Polizisten und Soldaten schützen seit Tagen das Parlamentsgebäude, in dem der Konservative vereidigt werden soll. Schließlich hat der unterlegene Linkskandidat Andrés Manuel López Obrador dazu aufgerufen, den Amtsantritt seines Gegners mit friedlichen Mitteln zu verhindern. Der Politiker der Partei der Demokratischen Revolution (PRD) mobilisiert zu einer Großkundgebung unweit des Abgeordnetenhauses in Mexiko- Stadt. Die PRD erwartet rund 100.000 Demonstranten.

Im Vorfeld der Vereidigung kam es bereits zu einem Eklat: Parlamentarier von Calderóns Partei der Nationalen Aktion (PAN) prügelten sich am Dienstag im Abgeordnetenhaus mit ihren PRD-Kollegen. Die PAN-Vertreter hatten die Tribüne besetzt, um zu verhindern, dass ihre Kontrahenten dies tun. Schließlich hatte die PRD so schon am 1. September dafür gesorgt, dass Präsident Vicente Fox (PAN) seinen jährlichen Rechenschaftsbericht nicht vortragen konnte. PAN- und PRD-Abgeordnete blockieren nun seit Dienstag das Podium. Ausgerüstet mit Schlafsäcken haben beide Seiten auch die Nacht dort verbracht. Parlamentspräsident Jorge Zermeño schloss nicht aus, dass die Vereidigung nun an einen anderen Ort verlegt wird. Allerdings waren sich Verfassungsrechtler uneinig darüber, ob der Amtsantritt dann rechtmäßig wäre.

Auch im Unruheherd Oaxaca wurden Sicherheitsmaßnahmen getroffen. Um Demonstrationen des linken Bündnisses „Versammlung der Bevölkerung Oaxacas“ (Appo) am 1. Dezember vorzubeugen, werde man die Kontrollen verschärfen, hieß es aus Regierungskreisen. In der südmexikanischen Touristenstadt war es am letzten Samstag erneut zu schweren Zusammenstößen zwischen Appo-Aktivisten und der Bundespolizei (PFP) gekommen. Das Bündnis hatte mobilisiert, um der Forderung nach Absetzung des Gouverneurs Ulises Ruiz Nachdruck zu verleihen. In anschließenden Straßenschlachten wurden 141 Aktivisten verhaftet und in ein 1.200 Kilometer entferntes Gefängnis gebracht. Zudem werden nun Haftbefehle gegen Appo-Wortführer umgesetzt, und am Mittwoch wurde die letzte Barrikade der Rebellen geräumt. „Die Toleranz ist erschöpft“, erklärte der PFP-Einsatzleiter Ardelio Vargas Gosado mit Blick auf den seit einem halben Jahr andauernden Konflikt, der 17 Menschen das Leben gekostet hat.

Eine harte Linie in der Sicherheitspolitik ist auch vom neuen Präsidenten Calderón zu erwarten. Der PAN-Politiker hat in seinem wirtschaftsliberal und konservativ ausgerichteten Kabinett deutliche Akzente gesetzt: Der als rechter Hardliner bekannte Gouverneur des Bundesstaates Jalisco, Francisco Ramírez Acuña (PAN), wird das Innenministerium führen. Acuña trägt die politische Verantwortung für die Folter an Globalisierungskritikern, die nach einer Demonstration gegen einen EU-Lateinamerika-Gipfel im Jahr 2004 in der Hauptstadt Guadalajara festgenommen wurden. Die Ernennung Acuñas sei ein Ausduck von „Calderóns Geringschätzung der Menschenrechte“, urteilte der Menschenrechtsdachverband Todos los Derechos para Todos.

Auch der scheidende Staatschef steht mit Blick auf die Menschenrechte in der Kritik. Letzte Woche informierte die Organisation Reporter ohne Grenzen, dass Mexiko während der Amtszeit von Fox nach dem Irak zum zweitgefährlichsten Staat für Journalisten geworden sei. 20 Pressevertreter seien ermordet worden, die meisten von ihnen, hatten über die Verbindungen der Drogenmafia zu Politikern oder Polizisten recherchiert. Insgesamt sind dem mexikanischen Drogenkrieg in diesem Jahr schon über 2.000 Menschen zum Opfer gefallen. „Willkürliche Festnahmen, Folterungen und Misshandlung sowie Verstöße innerhalb des Strafjustizsystems“ seien zudem alltäglich, ergänzt amnesty international.

Fox dagegen zieht eine positive Bilanz seiner sechsjährigen Amtszeit. Er verweist auf stabile Inflationsraten, steigende Auslandsinvestitionen, ein zunehmendes Wirtschaftswachstum und mehr soziale Gleichheit. Kritiker werfen ihm jedoch vor, er habe zu wenig Initiative ergriffen und nicht mit den korrupten Mächten der 71 Jahre lang herrschenden Partei der Institutionellen Revolution (PRI) gebrochen. „Er beendet seine Amtsperiode wie einer, der nicht König sein wollte und deshalb seine Präsidentschaft verschwendet hat“, resümiert der Kommentator der Wochenzeitung Proceso.