Coming-out für alle

Problem: Nicht wenige Menschen in Deutschland haben Angst, dass ihre Kinder in den Schulen zu Homosexuellen umerzogen werden sollen (vgl. die Auseinandersetzung um den Bildungsplan in Baden-Württemberg). Misstrauen weckte auch ein Fragebogen der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft mit dem Titel „Lesbische und schwule Lebensweisen – ein Thema für die Schule“. Gefragt wurde dort unter anderem: „Laut Statistik kommen Geschlechtskrankheiten bei Lesben am wenigsten vor. Ist es daher für Frauen wirklich sinnvoll, eine heterosexuelle Lebensweise zu führen und so das Risiko von Geschlechtskrankheiten und Schwangerschaft einzugehen?“ Die Journalistin Birgit Kelle trieb das während einer „Maischberger“-Sendung auf die Palme. Sie hatte diese Frage tatsächlich für bare Münze genommen. Und ernsthaft unterstellt, dass mithilfe solchen Unterrichtsmaterials Kinder zu Schwulen und Lesben umerzogen werden sollen. Dabei hat die Gewerkschaft Heterosexuellen einfach nur Fragen gestellt, wie sie sonst Homosexuelle ertragen müssen. Sie wollte den Druck thematisieren, der auf gleichgeschlechtlich Liebenden lastet. Diese ironische Spiegelung konnte Birgit Kelle nicht nachvollziehen und lieferte eine Live-Definition des Begriffs „Heteronormativität“: Heterosexualität ist die absolut selbstverständliche soziale Norm, die nicht hinterfragt werden kann und darf. Aber wäre es nicht der Selbsterkenntnis förderlich, wenn sich alle Menschen im Rahmen ihrer Adoleszenz ernsthaft und zielgerichtet damit beschäftigen würden, wer sie wirklich sind? Wen oder was sie begehren? Wenn sich jeder fragen müsste: Verfüge ich über Persönlichkeitsanteile, die von der Norm abweichen?

Lösung: Man könnte das Coming-out zu einer Art Jugendweihe umfunktionieren, bei der es im Anschluss Geschenke gibt. Selbstverständlich als gesetzlich verankerte, für alle verbindliche Pflichtveranstaltung.

Hausaufgabe: Nehmen Sie sich ein Wochenende Zeit und denken darüber nach, wer Sie wirklich sind. Denken Sie darüber nach, ob Sie sich für gewisse Aspekte ihrer Persönlichkeit schämen. Gibt es Vorlieben, über die sie mit niemandem reden können? Vielleicht stehen sie auf Fußsex? Oder auf Gegenstände? Wenn Sie alles aufgeschrieben haben, teilen Sie die Ergebnisse bitte zunächst Ihrer Familie mit, ob sie will oder nicht. Dann sämtlichen Freunden. Und auch ansonsten jedem, der es nicht wissen will. Es befreit ungeheuer, und ihr Umfeld wird es verkraften. Selbst wenn Sie zu dem Schluss kommen sollten, einfach nur ein Wald-und-Wiesen-Hetero zu sein.

Merke: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert. Die besten Fußsex-Witze erzählen Sie schon nach kurzer Zeit selbst.