Die Alles-Verbieter

Argumente und Freiwilligkeit haben den Schutz von Mensch und Natur bisher nicht gerade rasant vorangetrieben. Warum eine Lösung trotzdem nicht gleich die Ökodiktatur sein muss

Ärger. Viel Ärger ist zu erwarten in den kommenden Monaten. Denn immer neue Zahlen und Vorschläge werden auf uns herein prasseln, wie die Welt vor dem Klimakollaps zu retten sei. Die größten Quellen der Treibhausgase sind bekannt, Maßnahmen zur Reduzierung auch schon weitgehend. Teilweise müssten Lösungen erst entwickelt werden – was aber einer breit gefächerten Know-how-Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts eigentlich kein wirkliches Problem bereitet.

Und die Finanzwirtschaft ist auch in der Lage, eine Billion Euro pro Jahr zur Verfügung zu stellen. So viel erachten Klimawirtschaftler in etwa als nötig, um die „dritte industrielle Revolution“ zu verwirklichen und den CO2-Ausstoß um die Hälfte zu verringern. Diese scheinbar riesige Summe ist ein winziger Bruchteil der jährlichen weltweiten Investitionen und ein noch weitaus winzigerer Bruchteil der potenziellen Schäden.

Manche Sachen sind ja auch so klar, dass gar keiner mehr dagegen argumentieren kann, so denken zumindest Umweltschützer: Ökostrom ist in Deutschland für den Privatmann oft billiger als normaler, die gestern schon auf dieser Seite behandelten Energiesparlampen bringen Renditen von ein paar tausend Prozent, und Bahnfahren ist toll.

Soweit die Theorie. In der Praxis sieht es noch nicht danach aus, als würden die rationalen Argumente siegen. Wer einmal auf einer der sprichwörtlichen Partydiskussionen in deutschen Wohnzimmern auf das Thema stößt, bekommt irgendwann das immer Gleiche um die Ohren gehauen: „Ihr wollt nur Autos (wahlweise auch Reisen, Fleisch oder alles) verbieten“, „Ökostalinisten!“ und so weiter. Wenn gar nichts mehr hilft, kommt die soziale Keule: „Das kostet Arbeitsplätze“ oder aber: „Dann kann es sich der kleine Mann nicht mehr leisten.“

Von Verbieten hat meist gar keiner geredet. Und Arbeitsplätze kostet vor allem, wenn sich ein Hochlohnland wie Deutschland nicht an die Spitze industrieller Umwälzungen stellt. Der kleine Mann in Finnland wiederum leistet sich nur halb so viel Fleisch (Treibhausgase bei der Produktion) wie der in Spanien und lebt auch ganz gut.

Alles hübsche Argumente, mag sein. Helfen aber nichts. Es handelt sich hier eben nicht um bewusstes Abwägen. Die wahre Meinung zu vielen Ökofragen bildet sich nicht im Großhirn, sondern evolutionstheoretisch anscheinend ein paar Etagen tiefer. Irgendwo zwischen Kleinhirn und Bauch. Biologisch gesehen ist die Menschheit auch mit dem Setzen auf Bewährtes und dem Abwehren von Veränderungen bisher immer irgendwie weitergekommen, oder?

Eine modernere, linksalternativ kompatiblere Erklärung der Handlungsunwilligkeit wäre die der Freiheit: Wir wollen uns nicht reinreden lassen in persönliche Entscheidungen. Und so geben zwar laut der jüngsten Studie der Bundesregierung inzwischen satte 93 Prozent der Deutschen an, Umweltschutz für wichtig zu halten. Doch die Neuzulassungen von Geländewagen stiegen im Jahr 2006 von 100.000 auf 130.000, so das Kraftfahrtbundesamt. Das ist ein Plus von 30 Prozent. Oder wie es der rührige Wolf von Fabeck vom Solarenergie-Förderverein einmal gesagt hat: „Würde man alle Appelle zur effizienten Verwendung von Energie, die seit der ersten Ölkrise 1973 gedruckt wurden, aufeinanderlegen, so würde der Papierstapel wahrscheinlich schon den Mond erreichen.“

Warum der Konsummensch so ist, mag also spannend zu ergründen sein. Für die Politik und das Weltretten ist es aber erst einmal egal. Da kommt es eher darauf an, wie man etwas ändert am Verhalten. Und da hat sich bisher nicht so sehr der Freiheitsansatz bewährt, sondern klare Vorschriften und steigende Preise sind die Antwort. Katalysatoren oder auch nur akut lebensrettende Sicherheitsgurte für Autos kamen, weil es ein Gesetz gab. Ebenso der FCKW-freie Kühlschrank und die Filter in Kraftwerksschornsteinen. Energieverbrauch kann man nicht einfach per Gesetz regeln, hier muss dann der Preis eben so weit steigen, dass sich auch die Behäbigsten Gedanken machen, wie sie damit zurechtkommen. Und so weiter.

Leider wird es nicht anders gehen: Die Politiker, die wir alle gewählt haben, müssen das mit und für uns regeln. Und wir dürfen sie dann nicht mehr wählen, wenn sie zum Beispiel wie jüngst Bundeskanzlerin Angela Merkel „mit aller Härte“ gegen eine pauschale Reduzierung beim Spritverbrauch deutscher Autos vorgehen wollen. Es wird ein Wettrennen mit alten Instinkten werden. Aber wir können doch auch nicht mal schnell ein paar hundert Jahre mühsame Aufklärung einfach wegschmeißen. Oder?

REINER METZGER