Zum Schluss fliegt die Drohne

MAKER PARTY In Prenzlauer Berg wurde unter freiem Himmel gelötet, geschraubt und gefrickelt. Gezeigt wurden Handprothesen aus dem 3-D-Drucker, Metronome fürs Handgelenk und die Zukunft der Kältetechnik

Die Maker-Szene ist inzwischen auf dem Weg zu einem Lifestyle-Phänomen

VON TILMAN BAUMGÄRTEL

Vor lauter Reden kommt Diego Araos kaum zum Schrauben. Auf dem Biertisch vor ihm liegen Propeller, Elektronikbauteile, Batterien und Kabel, aus denen er eigentlich eine kleine Drohne zusammensetzen will. Aber weil so viele Zuschauer genauer wissen wollen, was er da macht, lässt er seinen Schraubenzieher immer wieder sinken, um seine Arbeit zu erklären.

Der 26-jährige Chilene mit dem genialischen Lächeln, der seit zwei Jahren in Berlin lebt, ist Gründer des Unternehmens Logic Flight, das Bausätze für Flugdrohnen auf den Markt bringen will. Dass er dabei ziemlich viel Konkurrenz hat, stört ihn nicht. „Unsere Drohnen sind aus einfachen Teilen“, sagt Araos. „Darum sind sie billig, und jeder kann sie leicht selber bauen.“ Bis jetzt besteht sein Unternehmen Logic Flight vor allem aus ihm selbst, aber das soll sich bald ändern. Die Robotik entwickelt sich so schnell weiter, dass hier möglicherweise ein Massenmarkt entsteht. Dann zeigt er eine Handprothese, deren Elemente mit dem 3-D-Drucker gemacht wurden und schnell zusammengesteckt sind, nach Dateien, die jeder aus dem Internet herunterladen kann. „Eine komplette Hand kostet weniger als 100 Euro“, erzählt er begeistert.

Am lauen Sommerabend des vergangenen Freitag kamen im Garten vor der Factory, einem Gründerzentrum in Prenzlauer Berg, Maker wie Araos zusammen, um sich ihre Projekte zu zeigen. Ein DJ legt elektronische Musik auf, alle hocken unter freiem Himmel auf Bierbänken und löten, frickeln oder lassen den 3-D-Drucker kleine Plastikmodelle produzieren. Viele sind es nicht, aber das ist schon in Ordnung. Zu den Utopien der internationalen Maker-Bewegungen gehört es, dass jeder vom Konsumenten zum Produzenten von technischem Gerät werden kann, weil die Zugangshürden dafür in den letzten Jahren dramatisch gesunken sind. Hier treffen sich Macher mit Machern.

Zu sehen gibt es zum Beispiel „Feel the Beat“, ein Metronom fürs Handgelenk, das durch eine Smartphone-App gesteuert wird und den Beat über ein Armband direkt in den Körper überträgt. Headware ist ein kleiner Apparat, der Musik ohne Kopfhörer direkt in den Motorradhelm pumpt. Der TÜV hat sein Plazet schon gegeben, und im nächsten Jahr soll das Gerät gleichzeitig in Europa, Nordamerika und Japan auf den Markt kommen. Nagual Dance ist eine Software, die die Bewegung von Tänzern in Klänge übersetzt, aus denen ein interaktiv generiertes House-Stück entsteht, live und ziemlich gut klingend.

Und dann ist da noch eine Konstruktion aus ein paar Wasserrohren und einem Druckluftkompressor, die Hitze in Kälte verwandelt. So soll durch die Abwärme einer Heizung ein Kühlschrank betrieben werden, ein Verfahren, das angeblich aus den 20ern Jahren stammt, aber erst heute, wo Elektrizität immer teurer wird, wirtschaftlich interessant sein könnte. Im Augenblick braucht es noch viel Fantasie, um die Kupferrohre, die sich durch einen Kiste aus Styropor winden, als die Zukunft der Kältetechnik zu erkennen. Aber der 27-jährige Unternehmensgründer Arno Zimmermann betont: Anders als bei Internetfirmen brauchen „Hardware-Start-ups am Anfang viel Geld für die notwendigen Konstruktionen.“

Während bei anderen Veranstaltungen dieser Art das zweckfreie und oft ziemlich spleenige Gebastel im Mittelpunkt steht, arbeiten viele der hier vertretenen Maker an Projekten, die zu verkäuflichen Produkten führen sollen. Viele bezeichnen sich mit einer Flasche Bier oder Club Mate in der Hand als Gründer, ihre Unternehmen als Start-ups. Immerhin stehen wir hier im Schatten eines Gebäudes, in dem auch Soundcloud und die Twitter-Dependance ihren Geschäften nachgehen.

Auch wenn nicht jede Erfindung, die hier vorgeführt wird, es zur Marktreife bringen wird, so ist die Maker-Szene inzwischen auch auf dem Weg zu einem Lifestyle-Phänomen. Davon zeugt ein Wohnwagen, der für Red Bull zu einem mobilen Produktionslabor ausgebaut worden ist. Hier finden sich Lasercutter, Computer, ein 3-D-Scanner und Werkzeugkisten, mit denen man bei Konferenzen, Festivals oder auf dem Schulhof technikbasteln kann. Wenn ein Limonadenhersteller es für angezeigt hält, sich in diesem Bereich zu engagieren, dann scheint das Do-It-yourself-Werkeln die Nische des höheren Nerdtums langsam hinter sich zu lassen.

Nach zwei Stunden hat Diego Araos seine Drohne endlich fertig. Beim ersten Flugversuch bleibt sie noch im Gras liegen. Nachdem die Propeller noch mal nachjustiert worden sind, erhebt sich das dreiarmige Ding unter Applaus in den dämmrigen Berliner Abendhimmel. Und eine Band beginnt, schrabbeligen Rock ’n’ Roll zu spielen.