kabinenpredigt
: Schläger raus!

Wie begegnet man dem grassierenden Werteverfall, den gewalttätigen Exzessen und der sozialen Erosion in unserer Gesellschaft? Am besten mit einem Prügel. Genauer gesagt: einem Cricketschläger. „Wir wollen die Normen und Werte, die unser Sport vermittelt, in die Gesellschaft hineintragen. Cricket steht für Toleranz, Respekt, Körperlosigkeit und Integration“, erklärt Yiannis Kaufmann, Öffentlichkeitsarbeiter des neu gegründeten Nordostdeutschen Cricket Verbands (NOCV).

Im Rahmen eines Entwicklungsprogramms des European Cricket Council in London (ECC) versucht der NOCV, die neuen Bundesländer für den einst von Britanniens Kolonialherren exportierten „Gentleman Sport“ zu begeistern. Schließlich galt bis zum Zweiten Weltkrieg das ostelbische Junkerland um die Preußenmetropole Berlin als blühende Cricketlandschaft für Pitcher und Striker.

Aktuell frönen bundesweit rund 1.500 SpielerInnen in zirka 50 Clubs ihrem als versnobt geltenden Vergnügen, das Ähnlichkeiten mit dem US-Baseball aufweist. Die Hochburgen sind Hamburg, Bayern (rund um den Tegernsee) und Nordrhein-Westfalen. Der Osten soll nachziehen. „Ziel ist eine Bundesliga, die den nordostdeutschen Raum abdeckt“, so Kaufmann.

Unis und Schulen sollen als Rekrutierungsfeld für neue Spieler gewonnen werden. Mit zwei Bildungsanstalten verhandelt der NOCV, um Cricket als Schulsport zu etablieren; mit einem Berliner Verein wird über die Anbindung einer Cricketabteilung geredet.

Dringend benötigt wird zudem ein zweites Spielfeld. Der traditionsreiche Körner-Platz am Olympiastadion, wo einst britische Soldaten den Schläger schwangen, steht unter Verwaltung des Berliner Fußball-Verbands. Ein Relikt aus den Gründerzeiten beider Sportarten, deren Entwicklung zeitweise parallel verlief. Im Mai 1891 wurde in Berlin mit dem Deutschen Fußball- und Cricket-Bund eine angelsächsisch angehauchte Alternative zum deutschtümelnden Bund Deutscher Fußballspieler gegründet. Dass man im profanen Sportverkehr den Fußballern in Zukunft in die Quere kommen könnte, glaubt Kaufmann nicht: „Wir drehen in einer sozialen Ebene, die höher ist“, verkündet der NOCV-Sprecher.

UWE EBENHÖH