AMBROS WAIBEL ÜBER DIE ITALIENISCHE DEBATTE ZUM LIBYEN-KRIEG
: Hier und heute entscheiden

Es ist Krieg“, titelt die italienische Zeitung Il Fatto Quotidiano. Und damit wird das Blatt nicht nur seinem Namen gerecht („Die täglichen Fakten“). Dass Krieg ist, gilt in besonderem Maß für Italien als Nachbar und Exkolonialmacht Libyens – und als Verbündetem beider Seiten: Denn im Vertrag von Bengasi aus dem Jahr 2008 haben das Nato-Mitglied Italien und Libyen vereinbart, dass vom eigenen Territorium keine feindseligen Akte gegen den Vertragspartner ausgehen dürften. Berlusconi schert sich nicht um sein Geschwätz von gestern und unterstützt die UNO-Intervention – sein Partner in der Regierung, Lega-Chef Umberto Bossi, tut das nicht.

Bossi warnt vor einer italienischen Beteiligung am Krieg gegen Gaddafi nicht wegen juristischer Bedenken oder pazifistischer Anwandlungen. Bossi ist dagegen, weil Italien seine Gas- und Ölversorgung aufs Spiel setze; weil Millionen von Flüchtlingen den Stiefel überschwemmen würden; und weil man sich schließlich nur al-Qaida ins Haus holte. Diese Haltung ist zwar ekelhaft, rassistisch und politisch sehr kurz gedacht. Sie ist aber machiavellistisch-rational – im Gegensatz zu einer Stimme aus der traditionellen italienischen Linken in Gestalt von Valentino Parlato, Nestor der „kommunistischen Tageszeitung“ Il Manifesto. Im Zeichen des Antiimperialismus sagte der, er sei und bleibe ein überzeugter Unterstützer von Oberst Gaddafi. Dieser selbst wiederum bezeichnet die gegen ihn gerichtete Koalition als die „neuen Nazis“.

Was man da lernen kann? Es sind die täglichen Fakten, die als Grundlage der Entscheidung von Krieg und Frieden herangezogen werden müssen, nicht überkommene ideologische Konzepte. Bossi denkt an seine Klientel. Wer den Krieg gegen Gaddafi befürwortet, denkt an diejenigen, die den Diktator loswerden müssen. Der Rest ist tatsächlich Geschichte.

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