berliner szenen Verführerisches Angebot

„gengster-of-berlin“

Im Internet suchen wir nach einer neuen Wohnung. Die Fotos von den Angeboten sehen alle gleich aus: Altbauzimmer mit weißen Wänden und Laminatböden. Merkwürdig: Wenn in einem der Zimmer an einem Fleckchen Decke ein Stückchen Stuck zu finden ist, dann fotografieren die Anbieter dies Stuckstückchen und stellen das Bild als besonderen Mietanreiz ins Netz. Den braucht es eigentlich auch, klingen die Texte zu den Bildern doch völlig unterschiedslos: Ruhige Straße, aber trotzdem Kiezatmosphäre, Bad frisch renoviert, Einbauküche, Gasetagenheizung. Ach, Berlin.

Dann finden wir das Angebot von Frau B. Nur ein einziges Foto hat sie online gestellt. Es zeigt eine cremefarbene Sofagruppe in einem dunkel mit Kunstholz vertäfelten Wohnzimmer. Der Raum ist vollkommen fensterlos, die einzige Lichtquelle ist der laufende Fernseher. Daneben steht das, was Frau B. zur Wohnung zu sagen hat: „sehr nutzfehig einbauküsche (amerikanische art) 1dush wc 1 grßses bad typ woorpool. sehr gepflegt nur sachen rein und umzihen“. Diese verheißungsvolle Immobilie mit Sprudelpool wollen wir uns dringend ansehen, suchen nach dem Kontakt und werden fast ohnmächtig vor Glück: Frau B.s Mail-Adresse heißt vor dem Klammeraffen „gengster-of-berlin“.

Aufgeregt spazieren wir los und wollen diese Höhle des Löwen wenigstens schon mal von außen ansehen. Vor dem Haus steht schwankend ein Betrunkener mit filzigen grauen Haaren und pinkelt gegen die Wand. Als er uns kommen hört, ruft er uns entgegen: „Ach du Schreck, bitte entschuldigen Sie! Ich musste ganz dringend pullern. Bitte, sehen Sie nicht hin!“ Mehr kann man nicht wollen von Berlin. Hoffentlich meldet sich Frau B. bald. KIRSTEN RIESSELMANN