Chávez: „Es lebe unser Sozialismus“

Venezolanische Wähler bedanken sich bei ihrem Präsidenten Hugo Chávez für seine Sozialpolitik mit einem Votum von über 60 Prozent. Der unterlegene Kandidat Manuel Rosales erkennt die Wahl an. Statt Gewalt herrscht in Caracas Partystimmung

AUS CARACAS CHRISTOPH TWICKEL

Statt der befürchteten Unruhen nach den Wahlen in Venezuela herrschte gestern Feierstimmung: Hunderttausende von rot gekleideten Chávez-Anhängern feierten bei strömendem Regen in Caracas dessen Wahlsieg. Autokarawanen, Trommelumzüge und Feuerwerkskörper prägten das Stadtbild..

Das Idol der Feiernden, Hugo Chávez, bleibt für sechs weitere Jahre Präsident Venezuelas. Nach Auszählung von 85 Prozent der Stimmen liegt der 52-jährige Ex-Oberstleutnant bei 61,6 Prozent, über 20 Prozentpunkte vor dem Einheitskandidaten der Opposition, Manuel Rosales, der auf 38,1 Prozent kam. Es war das dritte Mal seit seinem Amtsantritt 1999, dass sich Chávez dem Urteil der rund 16 Millionen Wahlberechtigten unterwarf.

Wie jedes Mal war die Hauptstadt Caracas am Wahlsonntag voll von Gerüchten über Destabilisierungsversuche durch Chávez-Gegner. Die Jugendorganisation des Oppositionsbündnisses hatte vor Wahlbetrug gewarnt und mit Blick auf die orange Revolution in der Ukraine empfohlen, „unsere Stimmen durch gewaltlose Protestformen“ zu verteidigen.

Bereits beim Referendum über Neuwahlen im Jahre 2004, das Chávez für sich entschied, hatte es Betrugsvorwürfe gegeben, die internationale Beobachter allerdings nicht bestätigten. Auch diese Wahl wurde von 1.410 WahlbeobachterInnen verfolgt, darunter von Abgesandten der EU, der Organisation Amerikanischer Staaten und des Carter Center.

„Unser Wahlsystem gehört zu den weltweit transparentesten“ erklärte Chávez in seinem Wahllokal im Armenviertel 23 de Enero, das oberhalb des Präsidentenpalastes Miraflores liegt. Um Manipulation zu verhindern, erhalten die Venezolaner mit der elektronischen Stimmabgabe eine Quittung, die sie dann in die Wahlurnen stecken.

Die Chávez-Gegner hatten durchgesetzt, dass unmittelbar nach Schließung der Wahllokale 54,31 Prozent der Wahlurnen geöffnet und mit dem elektronischen Ergebnis verglichen werden. Sprecher der Opposition hatten die Bürger aufgefordert, sich vor den Wahllokalen zu versammeln, um die „Transparenz des Prozesses“ zu garantieren.

Nach Bekanntgabe des ersten Ergebnisses aber zeigte sich Manuel Rosales als guter Verlierer. „Wir erkennen an, dass sie uns heute besiegt haben“, so der Ministerpräsident des Bundesstaates Zulia. Der 54-Jährige, der vor drei Jahren einen Putsch gegen Chávez unterstützt hatte, hatte der Regierung im Wahlkampf „Castro-Kommunismus“ vorgeworfen und den Venezolanern versprochen, ihnen nach seinem Sieg ein Fünftel der Erdöleinnahmen als Grundeinkommen zu überweisen. Doch die Venezolaner entschieden sich mehrheitlich für die Sozialpolitik von Chávez, der ankündigte, in der kommende Amtsperiode den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft zu forcieren.

„Es lebe der christliche, der indigene Sozialismus, unser ganz eigener Sozialismus!“, rief der alte und neue Präsident vom Balkon des Präsidentenpalastes einer jubelnden Menschenmenge zu. „Ich fühle mich winzig gegenüber euch!“ Zwar hatte Chávez das angestrebte Wahlziel von 10 Millionen Stimmen deutlich verfehlt, doch sprach er von einem Sieg, wie er in der 200-jährigen Geschichte des Landes „noch nie da gewesen“ sei: „Wir haben vor acht Jahren mit 800.000 Stimmen Differenz gewonnen. Heute sind es über 2 Millionen.“

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