„Viele Eltern sehen nicht den Bedarf“

Zu niedrig sei der Bildungsstand der Eltern, sagt Taha Kahya, Eigentümer eines Nachhilfe-Instituts in Kreuzberg. Mit seinem Unterricht will der Türke Kinder mit Migrationshintergrund erreichen. Nur Gewinn macht er damit kaum

taz: Herr Kahya, sollten mehr Kinder mit Migrationshintergrund privaten Nachhilfeunterricht erhalten?

Taha Kahya: Absolut. Der Bedarf ist da. Wir hatten hier schon Kinder, die in der sechsten Klasse und Analphabeten waren. Viele sprechen auch nur sehr schlecht Deutsch.

Welche Gründe hat das Ihrer Meinung nach?

Oft sind Schulen mit der Situation nicht nur überfordert, sie haben teilweise sogar aufgegeben. Es gibt Kinder mit Migrationshintergrund, denen wurde von Verantwortlichen in der Schule geraten, eine andere Schule zu besuchen, wenn sie eine Chance haben wollen.

Nur: Die Schulen in anderen Stadtteilen wollen die Kinder aus Kreuzberg nicht. Sie lehnen sie ohne Nennung irgendwelcher Gründe einfach ab.

Konnte die Deutschförderung für Vorschulkinder die Situation zumindest in den Berliner Grundschulen ein Stück weit verbessern?

Auf eine Erzieherin kommen bei der Deutschförderung 30 Kinder. Da ist genug damit zu tun, die Gruppe zusammenzuhalten. Von Deutschunterricht kann deswegen kaum die Rede sein.

Wie wird der Unterricht denn hier bei Ihnen abgehalten?

Wir arbeiten in Gruppen von höchstens sieben Kindern. Und die Betreuer sind ausgebildete Pädagogen, das ist bei der staatlichen Deutschförderung oft nicht der Fall.

Machen sich diese Faktoren bei Ihrer Erfolgsquote bemerkbar? Werden Kinder, die hierher kommen, besser in der Schule?

Wir betreuen auch Kinder, die gerade am Gymnasium oder an der Realschule die Probezeit absolvieren. Sie sind der beste Beweis für unseren Erfolg: Sie haben bisher alle bestanden. Aber auch die anderen Kinder werden in der Regel deutlich besser in ihren Problemfächern.

Trotzdem haben Sie noch viele Plätze frei.

Den Eltern fehlt das Geld für unseren Unterricht. Eine Stunde hier kostet 5 Euro. Das können sich viele nicht leisten, auch nicht einmal die Woche. Wir reden von sozial schwachen Familien, nicht selten Hartz-IV- Empfängern. Auch ist der Bildungsstand der Eltern selbst oft niedrig, was dazu führt, dass sie die Notwendigkeit eines zusätzlichen Unterrichts nicht sehen.

Demnach besteht keine Möglichkeit einer staatlichen Unterstützung für Ihren Unterricht?

Nein. Ich selbst habe schon unzählige Briefe geschrieben und Telefonate geführt, um die zuständigen Menschen im Bildungsministerium von meiner Sache zu überzeugen. Ohne Erfolg.

Der Bedarf ist also da, Sie arbeiten erfolgreich, und trotzdem fehlt es Ihnen an Schülern, weil die Eltern die finanziellen Mittel nicht aufbringen können. Was bedeutet das für Ihre eigene Zukunft?

Auf Dauer werde ich mich so nicht mehr finanzieren können. Die Preise für den Unterricht sind schon sehr knapp kalkuliert. Meinen Angestellten zahle ich 10 Euro pro Stunde. Ein Witz für ausgebildete Pädagogen! Wenn sich die Situation nicht ändert, werde ich umziehen müssen.

Umziehen?

Ja, in einen Stadtteil, in dem die Eltern das Geld für meinen Unterricht aufbringen können.

Obwohl Ihre Anwesenheit in einem Stadtteil wie Kreuzberg mit vielen sozial- und bildungsschwachen Familien am meisten Sinn macht?

Richtig. Obwohl und gerade deswegen. Das ist schon paradox.

INTERVIEW: KATHRIN SCHRECK