Filz im Nest

Weil sie kritisch über ihren Geldgeber berichtet hat, droht der sorbischen Zeitung „Serbske Nowiny“ Ungemach

Die slawische Minderheit der 60.000 Lausitzer Sorben muss um das Fortbestehen ihrer eigenständigen Kultur bangen – und um das ihrer sorbischsprachigen Tageszeitung Serbske Nowiny. Assimilationsdruck, Geburtenschwund und Wegzug der Jugend bedrohen die Substanz des Restvölkchens der ursprünglich slawischen Bevölkerung. „Da muss man zusammenstehen wie ein Mann“, hört man oft.

Aber bedeutet das auch: mit nur einer Meinung? Diesen Eindruck gewinnt jedenfalls Benedikt Dyrlich, Serbske-Nowiny-Chefredakteur und Vorsitzender des sorbischen Künstlerbundes, wenn es um die journalistische Unabhängigkeit seiner Zeitung geht. Als eines der letzten Blätter in Deutschland erscheint der Titel abends. Seine sechsköpfige Redaktion in Bautzen sieht sich in doppelter Hinsicht in die Zange genommen: Denn das tägliche Sprachrohr der Sorben mit kaum 2.000 Abonnenten liegt seit Jahren über Kreuz mit seinem Geldgeber, der Stiftung für das sorbische Volk (Domowina). Sie wird vom Bund sowie den Ländern Sachsen und Brandenburg mit insgesamt knapp 16 Millionen Euro im Jahr unterstützt, an den Domowina-eigenen Verlag gehen davon 2,5 Millionen Euro. Aus dessen Etat wiederum erhält die Serbske Nowiny 1,5 Millionen Euro jährlich.

Erst kürzlich hatte der Stiftungsratsvorsitzende Christian Baumgärtel die journalistische Qualität der Zeitung gerügt und Chefredakteur Dyrlich direkt angegriffen. Hintergrund sind Nestbeschmutzer-Vorwürfe, die es spätestens gibt, seitdem die Serbske Nowiny 2003 über die Kritik des Sächsischen Rechnungshofes an der Verwendung von Stiftungsgeldern berichtete. Das Blatt rührt mit eigenen Recherchen am Filz, der sich in die eingefahrenen Strukturen der Sorben einzuschleichen droht: So ging es zum Beispiel um überhöhte Abfindungen für ausscheidende Mitglieder des Sorbischen Nationalensembles. Ein weiteres heikles Thema sind die Zukunft und der Status der bedrohten sorbischen Schulen.

„Darf eine Minderheitenzeitung auch innersorbische Diskurse führen, oder gilt sie dann als Nestbeschmutzer?“, fragt Dyrlich. Schließlich sei das Blatt nicht mehr wie zu DDR-Zeiten „Zentralorgan“ der Domowina. Doch die hatte ihn schon im Februar 2006 einbestellt und sogar eine Entschuldigung für Negativberichte über die Fördermittel-Affäre in anderen Zeitungen verlangt.

Versuche, den Chefredakteur abzusetzen, konnten zwar bisher mit Hilfe der Journalistengewerkschaften und des sächsischen Wissenschaftsministeriums abgewendet werden. Doch nun droht neue Gefahr: Kürzungen an den Zuwendungen des Bundes und aus Brandenburgs werden überproportional an den Zeitungsverlag weitergegeben. 48.000 Euro sollen eingespart werden – das ist viel Geld für eine solch kleine Zeitung. Erstes Opfer: ausgerechnet die bislang monatliche deutschsprachige Beilage. Sie ist seit Januar eingestellt, nun werden weiter Zulagen für Mitarbeiter gekürzt.

Chefredakteur Dyrlich ist jetzt auf Sponsorensuche, ohne sich damit in neue Abhängigkeiten begeben zu wollen. So hatte die Serbske Nowiny 1852 als eine der ersten Minderheitenzeitungen in Deutschland auch einmal angefangen. MICHAEL BARTSCH