Brüssel erwägt Klage gegen Telekom-Gesetz

Die Bundesregierung will die Telekom mit ihrem Glasfasernetz vor Konkurrenten schützen – und erzürnt die EU

BERLIN taz ■ Die EU-Kommission haderte nicht lange: Pünktlich zum Inkrafttreten der Novelle des deutschen Telekommunikationsgesetzes (TKG) am Wochenende hat EU-Kommissarin Viviane Reding gestern ein Eilverfahren gegen das Gesetz gestartet. Den Schritt hatte die Kommission bereits im Herbst bei der Vorlage des Gesetzentwurfs angekündigt. Die Bundesregierung hat jetzt 15 Tage Zeit, sich zu rechtfertigen.

Die EU-Kommission stößt sich daran, dass das TK-Gesetz Unternehmen vor Konkurrenten schützt, wenn sie in Techniken investieren, die „neue Märkte“ erschließen. In diesem Fall geht es vor allem um das VDSL-Glasfasernetz der Telekom. Der frühere Monopolist reklamiert für seine neuen superschnellen Internetleitungen den Investitionsschutz – mit Rückendeckung der Bundesregierung. Diese sicherte der Telekom schon vor zwei Jahren im Koalitionsvertrag zu, das VDSL-Netz „für einen gewissen Zeitraum“ von der Regulierung auszunehmen.

Für das provisorische VDSL-Monopol hatte der ehemalige Konzernchef Kai-Uwe Ricke 3 Milliarden Euro Investitionen und 5.000 Arbeitsplätze versprochen. Dafür will die Telekom in bis zu 50 deutschen Großstädten Internet-Zugänge mit einer Geschwindigkeit von 50 Megabit pro Sekunde anbieten. Das ist etwa 20-mal schneller als ein durchschnittlicher Breitband-DSL-Internet-Zugang in Deutschland. Derzeit ist VDSL in zwölf Großstädten verfügbar und überträgt Telefon, Internet und Dutzende Fernsehprogramme bis zur heimischen Telefonsteckdose.

Die bevorzugte Behandlung der Telekom verstößt aber nach Ansicht der EU-Kommission gegen geltendes Europarecht: „Das ist ein Versuch, in einem wirtschaftlich zentralen Sektor den Wettbewerb auszuhebeln“, sagte gestern Kommissarin Reding. Die TKG-Novelle erschwere neuen Wettbewerbern den Zugang zum deutschen Markt.

Reding moniert auch, dass das Gesetz die Entscheidungsfreiheit der Bundesnetzagentur beschneide. Die Agentur wacht über den Wettbewerb in Netzmärkten. Doch diese will sich derzeit an dem Thema lieber nicht die Finger verbrennen: „Wir sind eine nachgeordnete Behörde des Wirtschaftsministeriums“, sagte Behördensprecher Rudolf Boll der taz. „Der jetzige Streit findet zwischen der EU-Kommission und dem deutschen Gesetzgeber statt“, so Boll.

Auch Telekom-Sprecher Mark Nierwetberg sagte zur taz, die Telekom halte sich aus dem jetzigen Verfahren heraus, betonte jedoch: „Wir halten am Investitionsschutz fest, weil die Telekom auch das Risiko trägt.“

Telekom-Konkurrenten halten das Argument nicht für überzeugend: „Für die Nutzung der VDSL-Infrastruktur dürfte die Telekom auch hohe Preise von anderen Unternehmen verlangen“, sagte Jan Mönikes von der Initiative unabhängiger Netzbetreiber der taz: „Aber sie will ihre alte Monopolmacht in den Ortsnetzen in die Zukunft retten.“TARIK AHMIA