Agent Provocateur

Mit windigen Spionage-Vorwürfen bedrängt die marokkanische Justiz den kritischen Reporter Ali Lmrabet

Abweichende Stimmen sind in Marokko nicht wohlgelitten. Und schon gar nicht die von Ali Lmrabet. Der kritische Journalist, der sich zurzeit aus familiären Gründen in Barcelona aufhält, staunte nicht schlecht, als er am Sonntag die größte marokkanische Tageszeitung Assabah aufschlug. Das regimetreue Blatt meldete, dass er von der marokkanischen Justiz per internationalem Haftbefehl gesucht werde. „Ich soll ein Spion im Dienste des spanischen Geheimdienstes sein“, berichtet Lmrabet, der nun als Marokko-Korrespondent für die spanische Zeitung El Mundo arbeitet, verwundert.

Die Geschichte, die hinter den Anschuldigungen steckt, könnte aus einem billigen Agentenroman stammen. Im Frühsommer meldete sich der marokkanischer Geheimdienstler Hicham Bouchti bei der El-Mundo-Redaktion in Madrid. Er erzählte von einem Geimdienstplan, Lmrabet umzubringen. Nach entsprechenden Aussagen bei der Polizei beantragte Bouchti Asyl. Nur wenige Wochen später tauchte der Exagent wieder in Rabat auf und erklärte, Lmrabet habe ihn zu den Aussagen angestiftet und ihm alle drei Tage im Auftrag des spanischen Geheimdienstes CNI zwischen 600 und 1.000 Euro überbracht. Seither wird gegen den Journalisten ermittelt. „Ich war damals gar nicht in Madrid“, erklärt Lmrabet verwundert.

Es ist nicht das erste Mal, dass Lmrabet Probleme mit der Justiz seines Landes hat. Der 46-jährige Journalist war einst Herausgeber einer der ersten regimekritischen Zeitschriften Marokkos, Demain. Zweimal wurde das Blatt geschlossen. Dann wurde Lmrabet 2003 wegen Verleumdung des Königshauses zu vier Jahren Haft verurteilt. Nach einem Hungerstreik durfte er nach Europa ausreisen. Das Urteil untersagt ihm außerdem, für einen Zeitraum von zehn Jahren als Herausgeber tätig zu sein.

Doch Lmrabet ist nicht gewillt zu schweigen. Auch als Korrespondent für El Mundo schlägt er kritische Töne an. Er berichtet immer wieder über schwere Menschenrechtsverletzungen in der von Marokko besetzten ehemaligen spanischen Kolonie Westsahara. Als erster marokkanischer Journalist interviewte er den Präsidenten der Befreiungsbewegung Polisario Mohamed Abdelaziz und besuchte die sahrauischen Flüchtlingscamps im südwestalgerischen Tindouf. Für das marokkanische Königshaus ist die Westsahara integraler Bestandteil Marokkos. Etwas anderes zu behaupten, wird auch unter dem sich modern gebenden König Mohamed VI. verfolgt.

„Mohamed VI. kommt sympathisch daher, aber es hat sich nur wenig geändert“, erklärt Lmrabet. Trotz der Nachricht vom Haftbefehl möchte er nach Marokko zurück: „Wenn mir oder meiner Familie etwas zustößt, dann war es der Putin in Rabat.“

Reiner Wandler, Madrid