Der Wohnzimmer-Traum ist aus

Mit dem Ende des „Cosmotopia“ in der Dortmunder Nordstadt geht nicht nur eine Diskothek verloren

Die goldenen Zeiten waren längst vorbei. Nächte mit Matratzen auf dem Boden, wo man nur durch Freunde von Partys erfuhr und selbst Drogenkonsum kein Grund für einen Rausschmiss war. Das Neotopia war ein leer stehender Puff, gefüllt mit Menschen, die gemeinsam feiern wollten. Bis die Stadt Dortmund dem Treiben Ende der 1990er ein Ende zu setzen versuchte.

Aus den „privaten Partys“ wurde im Jahr 2000 dann das Cosmotopia. „Sinischa war der Einzige von uns, der das konnte“, sagt einer, der damals dabei war. Im Kampf mit den Behörden nutzten Sinischa Wichmann, bis heute Betreiber des Hauses, und seine Mitstreiter alle Tricks. Offiziell wurde keine Diskothek eröffnet, sondern eine Art soziokulturelles Zentrum. Teppiche wurden verlegt und Sofas darauf gestellt. Alles mit Liebe zum plüschigen Detail. Die Macher organisierten ein Kleinkunst-Programm mit Lese- und Filmreihe und einer wöchentlichen Musik-Session. Die Musikanlage ist als eine der schlechtesten im Ruhrgebiet verschrieen. Elektrikern standen beim Gang durchs Haus die Haare zu Berge angesichts der Verkabelung. Doch das Cosmotopia erhielt die begehrte Konzession und entwickelte sich zum Zentrum einer subkulturellen Szene und strahlte weit über die Stadtgrenzen hinaus.

Im sozialen Brennpunkt Nordstadt schaffte das Cosmo lange den Spagat zwischen Feiern unter Freunden und anonymem Tanzbetrieb. Über fünf Jahre lang öffnete der Club fast täglich seine Türen. Sogar ein Plattenlabel wurde gegründet, die Popshopping-Werbemelodien verkauften sich deutschlandweit. Internationale Künstler wie IAMX bespielten die Räume ebenso wie Bands aus der Region. Am Wochenende war der Laden sardinenbüchsenvoll: Und neben DJ-Legende Klaus Fiehe durfte auch der Nachwuchs auflegen. Die heute überall angesagten Independentpartys des Ruhrgebiets wurden hier groß.

Ein Aufschrei, als Wichmann im Sommer 2005 das Ende verkündete. Gründe gab es wohl viele. Von Erschöpfung über familiäre Verpflichtungen, bis zu Lust auf neue Ufer. Also wollte ein neuer Betreiber gesucht. Doch Wichmann wollte viel Geld für den Namen des Clubs. Die schlechte bauliche Verfassung dagegen war wohl nur ein Haken. Mit einem neuen Konzept, durch das sich das finanzielle Risiko auf die Veranstalter der einzelnen Partys verlagerte, und dem neuen Namen „Wohnzimmerclub“ startete Wichmann ein weiteres Mal. Doch viele Stammgäste waren verprellt, die Atmosphäre hatte das Familiäre verloren. Neue Besucher kamen spärlich. Die Nachricht, dass der Club nun endgültig abgerissen werden soll, um Platz für einen Supermarkt zu machen, sorgt heute nur noch für leise Aufregung.

Ende März wird die Ausnahmeerscheinung im Dortmunder Nachtleben unter Abrissbirnen zu Schutt zerfallen. In Erinnerung bleiben wird ein sonniger Platz, an dem das handgemalte Schild „Feel good“ wörtlich zu nehmen war. Teile des cosmotopischen Netzwerks werden das Ende ihres Zentrums hoffentlich überdauern. NADIA LEIHS

Die letzten Nächte: www.wohnzimmerclub.de