„Kinder sind von Schulkleidung begeistert“

Schuluniformen lassen den Markenfetischismus gar nicht erst entstehen, sagt Grundschulleiterin Sigrid Hamann

taz: Frau Hamann, Sie haben als erste Rektorin die Schuluniform eingeführt. Was passiert einem Kind, das sich nicht daran hält?

Sigrid Hamann: Die einheitliche Schulkleidung, wie ich sie lieber nenne, ist freiwillig. Wenn ein Kind sie nicht trägt, hat es jedoch keine Sanktionen zu befürchten. Aber drei Viertel der Schülerinnen und Schüler haben bei uns die Schulkleidung bestellt.

Ist das Projekt sinnvoll, wenn einige SchülerInnen dann doch in Markenkleidung zum Unterricht kommen?

Bei uns in Kamp-Lintfort ist das selten, es gibt kaum betuchte Eltern. Unsere Zeche schließt bald und BenQ hat gerade seine Handy-Produktion eingestellt. Aber selbst wenn Kinder in Markenklamotten zur Schule kämen: Die Eltern können nicht zur einheitlichen Schulkleidung verpflichtet werden – selbst wenn die Schulkonferenz sich dafür ausspricht. Ein Zwang würde in die individuelle Freiheit der Eltern eingreifen.

Wie haben Sie dennoch die Mehrheit überzeugt?

Wir haben viel Werbung gemacht. Denn das Ganze macht natürlich nur Sinn, wenn so Viele wie möglich mitmachen. Eltern müssen die Schulkleidung bei uns übrigens nicht neu kaufen. Wenn ihre Kinder bereits Klamotten in den Farben blau oder weiß im Schrank haben, können sie die anziehen und mit unserem Schullogo bedrucken. Wir Lehrer und Lehrerinnen tragen übrigens auch die Schulfarben.

Hat sich die einheitliche Schulkleidung auf die Atmosphäre ausgewirkt?

Auf jeden Fall. Die Kinder sind begeistert davon, sie präsentieren nach außen, dass sie ein Team sind.

Ein Argument gegen die Schuluniform ist ja, dass sie mit teuren Accessoires kontrastiert werden könnte.

Natürlich kann man zur Schulkleidung teure Turnschuhe oder teure Uhren tragen. Das ist in weiterführenden Schulen mehr ein Problem als in Grundschulen. Ich denke, wenn Kinder früh lernen, dass man sich nicht nur übers Äußere definieren kann, ist das ein großer Schritt. Wir haben übrigens landesweit viel positive Resonanz auf unsere Initiative erhalten – von Lehrern und Eltern.

Warum sind es dann erst drei Schulen, die den Einheitslook eingeführt haben?

Das Schulgesetz, das die einheitliche Schulkleidung macht, gilt ja erst seit August. Es dauert eine Weile, bis das Klima dafür geschaffen ist. Ich bin aber überzeugt, dass viele Kollegen nachziehen werden.

In Düsseldorf sind gestern Schülerinnen in sexy Miniröcken und bauchfreien Tops über den Laufsteg stolziert, um das Projekt Schuluniform zu promoten. Eine gute Idee?

Das ist nicht das, was wir uns unter einheitlicher Schulkleidung vorstellen. Ein Kriterium ist natürlich, dass die Kinder sich darin wohl fühlen und sich hübsch finden. Aber ich glaube nicht, dass sich die gestern präsentierte Kollektion durchsetzt.

INTERVIEW: NATALIE WIESMANN