Südafrika will mehr Atomstrom

AUS JOHANNESBURG MARTINA SCHWIKOWSKI

Während in Japan die Strahlengefahr noch immer nicht gebannt ist und anderswo Atomkraftgegner demonstrieren, plant die südafrikanische Regierung, die Atomkraftwerkskapazität zu verdoppeln. Vor wenigen Tagen verabschiedete das Kabinett einen Strategieplan für die kommenden 20 Jahre. Künftig sollen 23 Prozent der Stromversorgung aus Nuklearanlagen gewonnen werden.

„Eine bizarre Entscheidung“, kommentiert Rianne Teule, Nuklearexpertin bei Greenpeace in Johannesburg. „Als hätte das Kabinett tagelang keine Nachrichten gehört.“ Die Umweltorganisation fordert Südafrika auf, stärker in erneuerbare Energien zu investieren. „Nuklearenergie ist gefährlich und lenkt nur von sauberen Energien ab,“ sagt Teule. „Wir haben davon ausreichend in Südafrika.“ Zwar hat Südafrika in seinem neuen Energieplan auch die Stromgewinnung aus Solar- und Windenergie angehoben, aber bei Weitem „nicht genug“, so Greenpeace.

Südafrika bezieht mit rund 90 Prozent nahezu den gesamten Strom aus Kohle. Das Land verfügt über reiche Kohlevorkommen im Osten Johannesburgs. Der Brennstoff ist leicht abzubauen und wird in den großen Kohlekraftwerken verbrannt. Erneuerbare Energien betragen dagegen zurzeit nur knapp 2 Prozent.

„Wir müssen den Energiemix diversifizieren und von der Kohle wegkommen“, sagte Collins Chabane, Minister im Präsidentenbüro, zum neuen Energieplan. Der Anteil der Kohlekraftwerke soll auf 15 Prozent sinken. Koeberg bei Kapstadt ist bisher das einzige Atomkraftwerk auf dem afrikanischen Kontinent. Weitere AKWs sind geplant, doch Anzahl, Bauträger und Kosten sind noch ungeklärt. Nuklearstrom soll für die nächsten 20 Jahre eine Leistung von 9.600 Megawatt erbringen; Strom aus erneuerbaren Energien dagegen soll mit 17.800 MW 42 Prozent des Strommixes ausmachen und jeweils zur Hälfte aus Wind- und Solaranlagen erfolgen.

„Wie kann die Regierung über 42 Prozent erneuerbare Energien reden, wenn sie nicht einmal die augenblicklichen Vorgaben erfüllen kann“, fragt Doug Kuni, Leiter der unabhängigen Energieerzeugervereinigung. Südafrika beabsichtigt, 30 Prozent des Energiebedarfs bei unabhängigen Anbietern zu kaufen. Bisher hat der staatliche Stromerzeuger Eskom 95 Prozent an Südafrikas Strom in die Haushalte geliefert, begleitet von einem periodisch auftretenden Debakel: „Black-outs“ sind in Südafrika besonders im kalten Winter an der Tagesordnung und lassen Bewohner stundenlang im Dunkeln und ohne Heizung.

Eskom kommt mit der Nachrüstung seiner veralteten Versorgungssysteme nicht nach. Um „Black-outs“ künftig zu vermeiden, hat das Unternehmen bereits mit privaten Stromerzeugern Verträge unterzeichnet. Die Atomkraft spielt für Eskom-Geschäftsführer Brian Dames dabei eine unverzichtbare Rolle.