Verstrahltes Trinkwasser in Tokio

JAPAN Warnung vor radioaktiv belastetem Leitungswasser: Kleinkinder sollen es nicht mehr trinken. Neue Probleme im AKW Fukushima lassen weiteren Anstieg der Strahlenwerte befürchten

TOKIO/BERLIN taz | Infolge der Katastrophe im Atomkraftwerk Fukushima sind erhöhte Werte radioaktiven Jods im Trinkwasser der 200 Kilometer entfernten Hauptstadt Tokio festgestellt worden. Mit 210 Becquerel pro Liter überstiegen sie den Grenzwert von 100 Bq/kg für Kleinkinder und nähern sich dem Grenzwert von 300 Bq/kg für Erwachsene. Bei den Arbeiten an der havarierten Anlage mussten die Einsatzkräfte einen weiteren Rückschlag hinnehmen: Weil schwarzer Rauch über Reaktor 3 aufstieg, wurden alle Arbeiter erneut zeitweise evakuiert.

Japans Leitungswasser besteht zu 25 Prozent aus Grundwasser und zu 75 Prozent aus Oberflächenwasser, also aus Flüssen, Seen und Talsperren. Oberflächenwasser ist radioaktiven Stoffen unmittelbarer ausgesetzt als Grundwasser, in das radioaktives Jod erst nach Wochen gelangt. Das Jod-131, das in den zwölf Tagen seit dem Tsunami aus den beschädigten Reaktoren austrat, lagert sich aus der Luft auf den Oberflächengewässern ab, insbesondere bei Regenfällen wird die Wirkung verstärkt. Das Trinkwasser in Tokio besteht nahezu ausschließlich aus Oberflächenwasser.

Die Talsperren, Flüsse und Seen, die Tokio mit Trinkwasser versorgen, liegen westlich und nordwestlich der 35-Millionen-Metropole. Die in Fukushima ausgetretene Radioaktivität zog aufgrund der Wetterlagen bisher kaum über diese Oberflächengewässer. Trotzdem befinden sich in Tokios Leitungswasser bereits erhöhte Werte radioaktiven Jods. Noch gravierender ist die Lage in der Region um Fukushima. In einer Trinkwasserprobe aus Litatemura, 30 Kilometer nordöstlich von Fukushima, wurden bereits am Sonntag 965 Bq/kg im Wasser gemessen.

In vielen Supermärkten waren nach Bekanntgabe der Werte Wasserflaschen ausverkauft.

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