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INS FRÜHER GEBEAMTGeheimnis Nr. 3

In den Computer tat ich kaum was

Die Versuche, meine CDs zu ordnen, waren von einer gewissen Nostalgie begleitet. Dauernd wurde ich ins Früher gebeamt und fühlte mich komisch dabei.

Viele CDs steckten in falschen Hüllen oder waren ganz nackt, oft auch Geschenke von Freunden. Immer wieder legte ich eine CD ein, um zu gucken, was drauf war, machte Zettel und versuchte alles vernünftig zu ordnen.

In den Computer tat ich kaum was; die Vorstellung, meine ganze Musik im Computer zu haben, war mir irgendwie widerlich. Das Kabel, mit dem man den Computer mit der Anlage verbinden konnte, war ohnehin defekt.

Manchmal stieß ich auf CDs, die ich selten gehört hatte und die mir nun, beim Um- und Aufräumen, sehr ans Herz wuchsen. Eine Geburtstags-CD von E. kannte ich nur halb, denn mein CD-Player versagte regelmäßig in der Mitte von Nummer sechs. Deshalb hatte ich sie nur einmal ganz gehört und dann vergessen.

Nun steckte ich sie doch in den Computer und brannte eine CD mit den letzten fünf Stücken der CD. Alles war toll. Das sechste Stück, dass ich am liebsten mochte, hieß nun Nummer 3, weil der Zettel mit den Titeln verschwunden war.

Ich hörte Nummer 6 beziehungsweise 3 oft am Abend; es war so ein entspannt romantisches, gleichzeitig auch sehr hypnotisches Stück, mit einer angenehm relaxten Körperlichkeit und stimmte sehr wehmütig. Eine Basslinie schien „Poor Leno“ von Röyksopp zu zitieren; der Klavierloop am Anfang erinnerte an Ricardo Villalobos und gleichzeitig irgendwie auch an das Intro von „We Love You“ von den Stones. Ich hätte E. nach Namen und Titel fragen können, ließ es aber. Das Lied passte sehr gut zum neuen Leben. Als ich den Zettel wiederfand – es war „Sinnerman“ von Nina Simone in einem Remix von Felix da Housecat –, mochte ich es natürlich noch immer, aber irgendwie hatte es sein Geheimnis verloren.

DETLEF KUHLBRODT

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