„Frauen werden leider stark verunsichert“

PRAXIS Die Gynäkologie-Professorin Tanja Fehm hält nichts von einem generellen Verzicht auf Morcellatoren

■ Die Professorin für Gynäkologische Onkologie ist seit 2013 Direktorin der Frauenklinik an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Sie ist Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) und der Deutschen Krebsgesellschaft.

taz: Frau Fehm, verzichten Sie jetzt gänzlich auf den Einsatz von Morcellatoren bei der Herausnahme von Myomen oder der Gebärmutter?

Tanja Fehm: Nein. Bei uns wird dieses operative Verfahren nicht deswegen eingestellt, weil eine einzelne Firma ihre Geräte zurückruft. Für sehr viele Frauen bietet dieses Verfahren Vorzüge, weil es schonend ist und große Bauchschnitte vermeidet. Darüber, aber auch über die Risiken in sehr seltenen Fällen, klären wir unsere Patientinnen auf. Andere Hersteller bieten nach wie vor Morcellatoren an.

Die alle ähnlich funktionieren und alle das gleiche Risiko bergen – Krebszellen im Zweifel in großem Stil im Bauchraum zu verteilen.

Viele Frauen werden durch solche Meldungen leider stark verunsichert. Man muss die Dinge differenziert betrachten. Dazu gehört, zu verstehen, dass die Schuld nicht beim Morcellator liegt, also beim Gerät an sich. Das Problem ist der mechanische Prozess des Zerkleinerns von Gewebe im Körper. Für gutartige Geschwulste stellt dies kein Risiko dar, für bösartige Geschwulste darf diese Methode nicht angewendet werden. Bösartige Befunde müssen als Ganzes geborgen werden, um eine Tumorzellverschleppung zu vermeiden.

Warum gelingt das nicht immer?

In der Regel sind Myome gutartig. In sehr seltenen Fällen kann sich jedoch auch ein Sarkom, also ein Krebs, dahinter verstecken. Die Wahrscheinlichkeit ist äußerst gering, die Literaturangaben schwanken zwischen 1:400 bis 1:2.000. Leider können wir trotz Ultraschall, trotz Kernspin oder Computertomografie diese Patientinnen nur selten vor dem operativen Eingriff identifizieren, so dass es, wenn auch sehr selten, vorkommen kann, dass bei einer Patientin trotz bösartigem Befund ein Morcellement stattfindet.

Warum muss das Gewebe bei minimalinvasiven Eingriffen überhaupt im Körper zerkleinert werden, bevor es herausgeholt wird?

Myome sind gutartige Tumoren der Gebärmutter, die nicht zwangsläufig operiert werden müssen. Zum Problem werden sie, wenn die Patientin Blutungsstörungen hat, wenn sie ein Kind bekommen möchte oder wenn das Myom auf Grund seiner Größe Beschwerden verursacht. In solchen Fällen stellt die operative Entfernung per minimalinvasivem Verfahren eine wichtige Therapieoption dar. Sind die Myome sehr groß oder muss der komplette Gebärmutterkörper aufgrund sehr vieler Myome herausgenommen werden, dann ist eine Entfernung durch eine Bauchspiegelung meist nur möglich, wenn das Gewebe zuvor zerkleinert wurde.

Welches Risiko droht Frauen, wenn Sarkome im Bauchraum zerkleinert werden?

Es gibt Studien, die zeigen, dass Frauen, deren Sarkome morcelliert wurden, schlechtere Überlebensraten haben und auch eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass der Krebs wieder auftritt.

Was heißt das in Zahlen?

Ich wäre vorsichtig mit Prozentzahlen. Die Studienlage ist inhomogen. Das liegt auch daran, dass Sarkome glücklicherweise sehr selten sind. Dazu kommt: Sarkome haben per se eine schlechte Prognose, also unabhängig vom Morcellement. Die Therapieoptionen sind begrenzt.

Welche operative Alternativen zum Morcellement gibt es?

Sie können einen Bauchschnitt machen und die Gebärmutter oder das Myom zu entfernen. Möglich ist auch, das Myom durch die Scheide zu entfernen. Schließlich besteht die Möglichkeit, den Befund im Bauchraum in einem Bergebeutel zu morcellieren. Aber das ist technisch anspruchsvoll.

Welchen Frauen raten Sie, auf den minimalinvasiven Eingriff mit Morcellator zu verzichten?

Wir raten in der Regel dann zu einem Bauchschnitt, wenn das Myom sehr groß ist oder wenn es innerhalb kurzer Zeit stark gewachsen ist, wenn also aufgrund der Dynamik ein Sarkom nicht auszuschließen ist. Wichtig ist, in jedem Einzelfall das Risiko mit der Patientin zu erörtern und sie umfassend aufzuklären.

INTERVIEW: HEIKE HAARHOFF