In Kiew steigen die Stromkosten

Die Bevölkerung in der Ukraine leidet unter stark erhöhten Nebenkosten. Die Regierung will damit nichts zu tun haben und die Opposition ist schwach und zerstritten

KIEW taz ■ Katja sitzt in der Küche mit einem Taschenrechner und versucht, sich durch das Dickicht der neuen Tarife für Nebenkosten durchzuschlagen. „Es läuft mindestens auf 600 Hrywnja (umgerechnet 90 Euro) für meine kleine Dreizimmerwohnung hinaus“. So viel kosten ab Januar Strom, Heizung und Wasser für die Einwohner von Kiew. Eine böse Überraschung für viele. Im Vergleich zum Vorjahr werden sich die Nebenkosten landesweit verdreifachen.

Die Ukrainer machen dafür nicht nur die kommunalen Verwaltungen, sondern auch die Regierung verantwortlich. „Warum steigen die Nebenkosten?“, empört sich Andrij, der Fahrer eines alten Marschrutka, eines ukrainischen Sammeltaxis. „Man hat versprochen, dass die Gaspreise nicht steigen. Und wenn die Russen jetzt schon mehr verlangen, haben wir auch selber Gas. Und warum wird der Strom teurer?“

Auf diese Fragen gibt die Regierung nicht gerne Antwort. Mit der Erhöhung der Nebenkosten will sie nichts zu tun haben. Es ist unklar, warum sich Kiew mit Moskau auf den Gaspreis von 130 US-Dollar geeinigt hat. Wiktor Janukowitsch, seit August 2006 Premierminister, gibt dies als seinen großen Verhandlungserfolg aus. Im Vergleich bezahlen Georgien und Aserbaidschan nunmehr 235 US-Dollar. Welche Zugeständnisse er für diesen „Sieg“ gemacht hat, bleibt aber offen. Obwohl auch zwei „orangefarbene“ Regierungen keine glückliche Energiepolitik gemacht haben, ist die heutige Regierung nach Meinung von Experten leichter erpressbar, da sie die Interessen der Großindustrie des Ostens vertritt. Diese ist mit ihren energieaufwändigen und modernisierungsbedürftigen Anlagen bei jeder Erhöhung der Energiepreise extrem anfällig. So sind die Wirtschaftsbosse in Donezk nicht selten bereit, für günstige Gaspreise politische Zugeständnisse an den nördlichen Nachbarn zu machen.

Ein willkommener Anlass für Kritik, doch die Opposition ist geschwächt und zersplittert. Eine Harmonie im „orangefarbenen“ Lager gibt es schon lange nicht mehr. Die wichtigsten politischen Kräfte – das Bündnis von Julia Timoschenko und die Partei „Nascha Ukraina“ von Präsident Wiktor Juschtschenko – bekämpfen sich in zermürbenden Kleinkriegen. Zu viele Grundsatzfragen trennen sie. Dazu gehört unter anderem der künftige Nato-Beitritt. So kommt es nicht selten vor, dass eine der beiden Oppositionsfraktionen plötzlich die Regierungsmehrheit unterstützt.

Der nach dem Inkrafttreten einer Verfassungsreform deutlich geschwächte Präsident kämpft verzweifelt um seinen politischen Einfluss und den Rest seiner Autorität. Das einzige wirksame Mittel Juschtschenkos ist sein Vetorecht. Damit wäre jedoch eine politische Blockade vorprogrammiert, die die demokratische Entwicklung des Landes gefährdet.

Politische Grabenkämpfe werden wohl das ganze Jahr dominieren. Dass es dabei zu einer Parlamentskrise und Neuwahlen kommt – ein Szenario, das Timoschenko an die Wand malt –, ist jedoch weniger wahrscheinlich. Nicht viele Chancen sehen die Experten auch für die Rücknahme der 2004 verabschiedeten Verfassungsreform, die von der Opposition angefochten wird. Doch das alles scheint die Ukrainer in ihrer Enttäuschung und Verdrossenheit über die Politik nicht mehr zu interessieren. „Mir ist es egal, wer unser Präsident, wer Premierminister und wer Oberbürgermeister von Kiew ist.“ Andrij kann sich immer noch nicht beruhigen. „Die machen alle nur Geschäfte und werden miteinander schon klarkommen. Aber die Nebenkosten nach neuen Tarifen werde ich nicht bezahlen. Dafür reicht mir das Geld nicht.“ JURI DURKOT