„Bessere Produkte fördern die Benutzung“

TECHNIK, DIE BEGEISTERT Nicht zuletzt weil Fahrräder immer besser werden, steigen immer mehr Menschen aufs Velo um. Sicherheit und Bequemlichkeit sind neben der Infrastruktur wichtige Faktoren

■ Ulrike Saade ist die Geschäftsführerin der Velokonzept Saade GmbH, der – nach eigener Einschätzung – „führenden Agentur in Deutschland, um Menschen und das Fahrrad zusammenzubringen“. Das Organisieren von Messen, Kongressen und Kampagnen ist ihr Metier, die VELOBerlin ihr aktuelles Projekt (an diesem Wochenende auf dem Berliner Messegelände). Mit Innovationen und Trends, einer Sonderausstellung zu Produkten velophiler Handwerkskunst und einem vorgeschalteten Mobilitätskongress will Saade die VELOBerlin zur bundesweiten „Publikumsleitmesse rund ums Fahrrad und für urbane Mobilität“ ausbauen.

taz: Frau Saade, Elektromotor, Federungselemente, GPS – die Technisierung macht das Fahrrad schwerer und teurer. Auch besser?

Ulrike Saade: Die normalen Fahrräder sind nicht schwerer geworden, besser allerdings, wartungsärmer, alltagstauglicher und benutzerfreundlicher. In den letzten Jahren hat sich richtig was getan. Beim Licht zum Beispiel ist der Nabendynamo längst Standard, die LED-Technik weit verbreitet, das bringt mehr Sicherheit. Fahrradfahrer sind einfach nicht mehr zu übersehen. Oder nehmen wir die pannensicheren Reifen, die Weiterentwicklungen von Bremsen und Schaltungen.

Und was ist mit der Elektromotorisierung, die das Fahrrad optisch stark verändert, es durchaus schwerer und, wie so mancher lästert, zu einem Hightech-Rollator macht?

Das E-Bike ist die geniale Lösung für Situationen, in denen man sich mit dem üblichen Fahrrad schwertut. Die kleine Unterstützung durch den Motor erweitert die Möglichkeiten. Größere Einkäufe bewältigen, Ausflüge mit Kindern, das ist nicht mehr kraftraubend, das macht plötzlich richtig Spaß. Die Hügel stressen nicht mehr, und wer gern schnell fährt, fährt mit einem E-Bike noch schneller.

Die umworbenen Zielgruppen scheinen noch skeptisch zu sein. 2009 wurden lediglich 150.000 E-Bikes abgesetzt, 4 Prozent aller hierzulande verkauften Fahrräder.

Im vergangenen Jahr waren es bereits 200.000 Stück, und das wird sich noch erheblich steigern. Sogar ein so großer Akteur wie Bosch unterstützt jetzt den Trend, er liefert eine neu entwickelte Antriebstechnik. Aber natürlich wird es weiterhin auch Fahrräder ohne Elektromotor geben, jeder Trend hat ja auch seinen Gegentrend.

Hollandräder, Retromodelle, karge Ausstattung, schlichte Technik?

Das auch. Ich meine eher die Verbindung von hervorragenden Komponenten wie eben wartungsfreie Schaltungen mit Rahmen, die in traditioneller Handarbeit erstellt werden. Ingenieurswissen trifft auf Handwerkskunst, und das ergibt dann Produkte, denen man ansieht, dass sie mit Herzblut erstellt worden sind. Lifestyleprodukte.

Schöne neue Modelle – reicht das aus, um das Velo zum urbanen Leitfahrzeug zu machen?

Bessere Produkte fördern die Benutzung ungemein, verändern aber noch nicht das Verkehrsgeschehen grundsätzlich. Doch immer mehr Kommunalpolitiker, Stadt- und Verkehrsplaner und Bürger sagen zu Recht: Der motorisierte Individualverkehr hat in der Stadt nichts verloren, er muss zurückgedrängt werden. Der Kongress „Metromobile“ [Anmerkung der Redaktion: hat gestern in Berlin stattgefunden} beschäftigt sich mit der Intermodalität, der Vernetzung von schnellen, bequemen und umweltfreundlichen Verkehrsträgern im städtischen Raum. Und wir sehen, auch in Metropolen wie London oder Paris, wo vor einigen Jahren nur Wagemutige und Kuriere in der City Fahrrad gefahren sind, wird nun intensiv in Fahrradinfrastruktur und Fahrradkampagnen investiert. In Kopenhagen soll der Fahrradanteil auf 50 Prozent angehoben werden.

Obwohl es dort noch um einiges mehr regnet als in Deutschland …

Ja, und dennoch ist das keine Illusion. Weil es dort seit Jahrzehnten eine vorbildliche Fahrrad-Infrastruktur gibt und diese auch noch ausgebaut wird. Die städtische Mobilität der Zukunft ist ohne Fahrrad undenkbar. Es ist kompatibel mit dem anderen Umweltverkehr, es fährt mittendrin und häufig auch vorneweg.

INTERVIEW: HELMUT DACHALE