Zinn- und Coltanhändler vom Regen in die Traufe

KONGO Der 2010 verbotene Mineralienexport aus dem umkämpften Osten ist wieder erlaubt. Aber jetzt droht ein US-Embargo

„Wenn wir ab April einem Quasi-Embargo unterliegen, heizt das den Schmuggel an“

JOHN KANYONI, MINERALIENHÄNDLER

AUS GOMA SIMONE SCHLINDWEIN

Maschinen knattern. Männer hocken auf dem Boden, zerklopfen Kassiterit-Brocken zu kleinen Klumpen, damit sie in den Schaft der Maschine passen, die das Zinnerz zermahlt. Die „Pan African Business Group“ in Nordkivus Provinzhauptstadt Goma darf endlich wieder ausliefern.

Firmenchef Thierry Kituli strahlt. Im September hatte Kongos Präsident Joseph Kabila den Export von Mineralien aus dem Osten des Landes verboten – seit dem 11. März ist der Export wieder erlaubt. Kituli kramt einen Taschenrechner hervor: knapp 110 Tonnen Kassiterit türmen sich in seinen Depots. Die Hälfte davon in der Minenregion Walikale, woher er das Zinnerz bezieht. „Weil wir nichts verkaufen durften, konnte ich meine Angestellten und die Transportfirma nicht bezahlen und Kredite nicht tilgen“, seufzt er. Drei Container voll verschiffte er früher durchschnittlich pro Monat nach Russland und Malaysia, wo das Zinnerz verhüttet und daraus Weißblech hergestellt wird. Über 850 Tonnen jährlich. Und seit September 2010? „Zero.“

Der Exportstopp sollte Rebellengruppen und Armeeeinheiten in den Minengebieten den Geldhahn zudrehen. Doch stattdessen brach die Wirtschaft der Krisenprovinz Nordkivu zusammen. Schürfer durften nicht mehr legal graben, Händler keine Lieferungen mehr tätigen. „Das hatte einen negativen Effekt auf die ganze Wirtschaft“, erklärt John Kanyoni, Vorsitzender des Verbandes der Mineralienhändler in Nordkivu. „Der Mineralienhandel ist der Hauptarbeitgeber in der Region.“ 20 Millionen Dollar setzen die 24 Mineralienhandelsfirmen in Goma in der Regel pro Monat um, so Kanyoni. Diese Devisen fehlten jetzt.

Auch der Staat litt. Zwei Millionen Dollar führten die Händler in der Regel monatlich an Steuern ab. Als das ausblieb, bekamen Beamte keinen Lohn mehr, Soldaten wurden ohne Sold in den Dschungel geschickt. Man munkelt, dass selbst Minister und Gouverneure unbezahlt blieben.

Jetzt soll wieder Normalität einkehren. Doch den Händlern droht schon die nächste Hürde. Insgesamt 2.000 Tonnen Mineralien lägen seit September in den Depots, sagt Kanyoni. „Die müssen wir nun bis 1. April ausliefern, denn dann droht das nächste Embargo“, sagt er. Im April tritt in den USA ein Gesetz in Kraft, das Elektronikhersteller wie Apple, Nokia oder Motorola verpflichtet, die „konfliktfreie“ Herkunft ihrer Rohstoffe nachzuweisen, wenn sie diese aus Kongo oder einem seiner Nachbarländer beziehen.

Kanyoni schreibt derzeit verzweifelt Briefe nach Washington, um Kongos Händlern eine Übergangszeit zu verschaffen. „In ein bis zwei Jahren werden wir einen Herkunftsnachweis haben, der diesen Richtlinien entspricht“, ist er sicher. Er hofft auf von der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und dem Internationalen Zinnindustrieverband (Itri) getestete Verfahren, Erzlieferungen bereits in der Mine zu versiegeln. Doch dies benötige Zeit, warnt Kanyoni. „Wenn wir ab April einem Quasi-Embargo unterliegen, dann wird das den Schmuggel anheizen.“