Land in Sicht in Neuenfelde

Mit dem Stopp der Frachtversion des Airbus A 380 entfällt nach Ansicht von Umweltschützern die Grundlage für die Verlängerung der Start- und Landebahn in das Obstbaugebiet südlich der Elbe. Der Hamburger Senat hält aber am Ausbau fest

VON ELKE SPANNER

Durch das Eingeständnis, dass die Frachtversion des vermeintlichen Supervogels A 380 ein Rohrkrepierer ist, hat der Airbus-Konzern selbst ein altes Fass wieder aufgemacht: Die Gegner der Landebahnverlängerung in Hamburg-Neuenfelde haben wieder Land in Sicht.

Der Bau und die Auslieferung der Frachtmaschine galt Airbus stets als Argument dafür, dass die Piste um 589 Meter in das Obstbaugebiet südlich der Elbe verlängert werden müsse. Da die Frachtversion schwerer sei als ein Passagierflugzeug, reiche die bisherige Start- und Landebahn nicht mehr aus. Diesem Argument ist die Luft zumindest für den Moment ausgegangen – weswegen Umweltschützer und die Bewohner von Neuenfelde fordern, den Ausbau der Start- und Landebahn umgehend zu stoppen. Um das durchzusetzen, wollen sie alle juristischen Möglichkeiten ausschöpfen. Denkbar sei etwa, in den noch offenen Verfahren vor dem Verwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht einen Eilantrag zu stellen, um die Bauarbeiten umgehend zu stoppen, teilte Rechtsanwalt Rüdiger Nebelsieck gestern mit.

Die Konzernleitung des Luftfahrtunternehmens beteuerte gestern ein weiteres Mal, dass die Frachtversion trotz des derzeitigen Stopps „weiter zur Airbus-Familie gehört“. A 380-Programmchef Mario Heinen hatte die Einstellung der weiteren Produktion gegenüber der Airbus-Belegschaft mit den „großen finanziellen Herausforderungen“ und dem Fehlen einer „kurzfristigen Marktperspektive“ für den Frachtflieger begründet. Letzteres ist eine Beschreibung, die auch ohne böse Absicht nur als Beschönigung bezeichnet werden kann. Denn Fakt ist: Es gibt nicht einen einzigen Kunden für die Frachtversion des A 380.

Alle Interessenten sind abgesprungen: der US-Logistikkonzern UPS, dessen Konkurrent FedEx und die Leasingfirma ILFC. Zwar wollten diese Firmen zwischenzeitlich Exemplare des Riesenfliegers bestellen, die aber wären ohnehin vom Airbus-Werk in Toulouse ausgeliefert worden. In Hamburg sollte nur der Rumpf montiert werden – und dafür braucht man keine Landebahn zwischen Apfelbäumen. Die hätte Airbus allenfalls für zwei Maschinen benötigt, die nach der Montage von der Hansestadt aus in die arabischen Emirate fliegen sollten. Diesen Auftrag aber hat Emirate Airlines bereits vorigen Juni storniert.

Die Wirtschaftsbehörde erschüttert das nicht. Senator Gunnar Uldall (CDU) sieht die 83 Millionen Euro, die die Stadt in die Werkserweiterung von Airbus pumpt, trotz allem noch gut investiert. „Die Realisierung der Startbahnverlängerung sichert den Luftfahrtstandort Hamburg“, sagte er gestern. Sie sei eine „notwendige Infrastrukturanpassung, um die Entwicklungsfähigkeit des Standortes zu garantieren“. Sein Sprecher Peter Kleinort ergänzte auf Nachfrage, dass die Frachtversion grundsätzlich im Airbus-Programm bleibe. „Das Marketing dafür läuft weiter.“

Da man für Werbung aber keine Landebahn braucht, treten die Umweltschützer entschieden auf den Plan. Die Obstbäuerin Gabi Quast erinnert daran, dass mit dem Argument, der Ausbau der Piste sei eilbedürftig, bereits eine Trasse zwischen die Apfelbäume geschlagen wurde, obwohl die Gerichte noch nicht abschließend über die Rechtmäßigkeit entschieden haben. „Hier ist jetzt nichts mehr eilbedürftig“, sagt Quast und fordert, die Planierraupen umgehend aus dem Obstbaugebiet abzuziehen. Die bisherige Landschaftszerstörung sei reversibel, sagt sie. Würde man die Piste zurückbauen, könnte die Fläche wieder dem Obstbau zugeführt werden. „Das Gebiet ist noch nicht verloren. Jetzt dürfen nur keine weiteren Fakten geschaffen werden.“

Auch die grün-alternative Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft verlangt den sofortigen Abbruch aller Bauarbeiten an der Werkspiste. Daran „führt jetzt kein Weg vorbei“, sagte gestern Jens Kerstan, wirtschaftspolitischer Sprecher. „Bevor weitere Millionen Steuergelder sinnlos verbaut werden, müssen die rechtlichen Auswirkungen der Airbus-Entscheidung sorgfältig geprüft werden.“ Der Geschäftsführer des Naturschutzbundes BUND, Manfred Braasch, ergänzte, dass sich nun der „vorauseilende Gehorsam“ des Hamburger Senates räche. Der habe in der Vergangenheit „auf Zuruf von Airbus Gesetze erlassen, Gesetze geändert, Familien gespalten und europäisches Naturschutzrecht gebrochen“.

Neues Futter haben Umweltschützer und Neuenfelder nicht nur dadurch bekommen, dass der Bau des Frachtfliegers mit sofortiger Wirkung ausgesetzt ist. Auch der Airbus-Sanierungsplan „Power 08“ lässt daran zweifeln, dass die Stadt weiterhin auf Airbus als Standortfaktor setzen sollte. In Hamburg werden den Konzernplänen zufolge mehr als 1.000 Stellen gestrichen – wodurch sich ein weiteres Argument für die Werkserweiterung erledigt hat: Dass dadurch in der Hansestadt zahlreiche neue Arbeitsplätze entstehen.