Neun Freunde tun’s auch

Der Deutsche Fußballbund stellt den Funktionären an der Basis ein Konzept vor, mit dem er auf den demografischen Wandel reagieren will. Auch flexible Mannschaftsgrößen sind dabei ein Thema

VON TOBIAS SCHÄCHTER

Die Bundesrepublik wird älter, die sinkenden Geburtenraten verlangen in allen gesellschaftlichen Bereichen nach Antworten auf den demografischen Wandel. Auch beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) sucht man seit längerem nach Lösungen. DFB-Präsident Theo Zwanziger machte jüngst den Gedanken öffentlich, ab der Saison 2008 in den Kreisklassen nur noch neun gegen neun spielen zu lassen.

Die populistischen Reflexe der Boulevardmedien kamen prompt, und auch in Internetforen wurde der Vorschlag des ehemaligen Mittelfeldspielers des VfL Altendiez von Traditionalisten als „dämlich“ bezeichnet. Dabei ist die Kritik an den Plänen aus der DFB-Zentrale vor allem ignorant. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. In den letzten 15 Jahren ist die Anzahl der Seniorenmannschaften um rund zehn Prozent zurückgegangen. Noch alarmierender sind allerdings Prognosen für die Zukunft des Jugendfußballs. Gestern hat der DFB in Hannover die Kreisjugendobleute und Mädchenfußballausschüsse des Nordens unter dem Motto „Jugendfußball – fit für die Zukunft“ auf die künftigen Variationen des Spielbetriebs vorbereitet. Anfang Februar wurden in Frankfurt bereits die Sachwalter des Jugendfußballs im Süden informiert. Theo Zwanziger, Hans-Dieter Drewitz, der Vorsitzende des DFB-Jugendausschusses, und Bernd Barutta, Leiter der DFB-Jugendabteilung, haben die Basis in Hannover auf die drastischen Veränderungen der Rahmenbedingungen hingewiesen und Lösungsvorschläge vorgestellt.

Eine „Arbeitsgruppe Spielbetrieb“ des DFB-Jugendausschusses hat seit einer Fachtagung in Fulda im November 2005 die Ideen zusammengetragen und in einer Broschüre zusammengefasst. „Wir wollen mit unseren Vorschlägen den Machern vor Ort Instrumentarien gaben, um auf die Entwicklung zu reagieren“, sagt Barutta. Der DFB stützt sich in seiner Analyse auf Daten und Prognosen der statistischen Landesämter für 7- bis 13-jährige und 13- bis 18-jährige Jugendliche für den Zeitraum von 1995 bis 2020. Die Schere klafft zwar regional weit auseinander, aber besonders in ländlichen Gebieten ist der Reformdruck groß.

In manchen Regionen Ostdeutschlands geht die Zahl der Jugendlichen um 60 Prozent zurück. Aber auch in machen Gebieten Westdeutschlands sind die Zahlen alarmierend. In der Südwestpfalz zum Beispiel beträgt der Rückgang bei den 7- bis 13-Jährigen über 35 Prozent. „Es gibt keine einheitliche Entwicklung. In städtischen Ballungsgebieten oder auch in Nordrhein-Westfalen ist die Entwicklung zwar auch rückläufig, aber das Niveau noch hoch genug“, erklärt Barutta.

Vom Boom der Vereinseintritte nach der WM lassen sich die Macher beim DFB nicht blenden. „Das gibt uns lediglich eine Verschnaufpause“, sagt Barutta. Ganz oben auf der Agenda, um das Ausbluten kleiner Vereine aufzuhalten, stehen drei Punkte: die Zulassung flexibler Mannschaftsgrößen, das Zweitspielrecht für Jugendliche, die ihrem Heimatklub treu bleiben wollen, aber in deren Altersgruppe gerade keine Mannschaft gebildet werden kann, und das ebenfalls bereits erprobte Bilden von Jugendfördergemeinschaften. In Bayern gibt es bereits 150 solcher Fördergemeinschaften.

Vor der Saison 2004/05 ließ der bayerische Verband eigenständige Vereine zu, in denen lokale Klubs, die keine eigenen Mannschaften mehr aufbieten können, ihren Nachwuchs spielen lassen. Neben diesen Möglichkeiten wird der DFB auf seinem Bundestag im kommenden Oktober noch ein ganzes Bündel anderer Vorschläge ratifizieren.

„Die Flexibilität in den Vereinen ist groß. Natürlich soll dies alles nur dort umgesetzt werden, wo es auch notwendig ist“, sagt Barutta. Vor zwei Jahren war eine Abordnung aus dem dünn besiedelten Norwegen beim DFB und berichtete von ihren Erfahrungen. „Warum soll bei uns in Zukunft nicht möglich sein, dass sich die Spielerzahl und die Spielfeldgröße nach der Anzahl der Spieler der kleineren Mannschaft richtet“, fragt Barutta. Hat eine Mannschaft nur sieben Spieler, soll eben sieben gegen sieben gespielt werden. Nicht jedem gefällt die partielle Abkehr vom Mythos der „elf Freunde“. Barutta sagt: „Man kann dafür sein oder dagegen – an der Sachlage ändert sich nichts.“