VIP schafft Platzvorteile in Innenstädten

Mit Vakuumisolationspaneelen werden Energie und Platz gespart. Sie erreichen hohe Dämmwerte und sind dennoch dünn. Vor allem in Stadthäusern, wo jeder Quadratmeter zählt, kann sich ihr Einsatz rechnen. Ein weiterer Vorteil: Passivhäuser müssen nicht mehr kompakt gebaut werden

VON LARS KLAASSEN

Für die einen sind es nur ein paar Zentimeter, für die anderen ist es wertvoller Raum: Wer ohnehin genügend Platz beim Bau seines Wohnhauses hat, kann die Außenhülle getrost mit einer dicken Dämmschicht versehen. In der Innenstadt sieht das anders aus. Da ist Platz Mangelware. 30 Zentimeter Außenwand an Mehrfamilienhäusern in Großstädten wie Berlin, München oder Düsseldorf wären purer Luxus! Zu viele kostbare Quadratmeter gehen verloren – egal ob für die eigene Nutzung, für Vermietung oder Verkauf. Wie man zugleich Energie und Platz sparen kann, hat der Architekt Martin Pool mit einem Wohn- und Geschäftshaus im Münchner Lehel vorgemacht – und er wurde dafür auch prämiert.

„Das Ultraniedrigenergiehaus ist das weltweit erste größere Gebäude, das mit Vakuumisolationspaneelen gedämmt wurde, betont Pool. „Das System ist nur 11 Zentimeter dick, aber die Paneele haben eine bis zu 10fache Wirkung herkömmlicher Dämmungen. Es ist auch das erste Haus, das in Münchner Innenstadtlage diesen Energiestandard erreicht.“ Das Gebäude wurde mit dem Bauphysik-Preis ausgezeichnet. Er wird für besondere Planungsleistungen auf den Gebieten Wärme-, Feuchte-, Schall- und Brandschutz vergeben und vom Verlag Ernst & Sohn, Herausgeber der gleichnamigen Zeitschrift, ausgelobt. Ziel: eine breite Öffentlichkeit für die Bedeutung bauphysikalischer Betrachtungen im Entwurf und in der Planung wirtschaftlicher Gebäude zu sensibilisieren.

Die Jury – Vertreter der beratenden Ingenieure aus Forschung und Lehre und aus der Industrie – lobte nicht nur die aus dem großflächigen Einsatz von Vakuumisolationspaneelen (VIP) resultierende Energie- und Flächeneffizienz. Dank VIP konnte die Nutzfläche um etwa 4 Prozent vergrößert werden. Ergänzt wird das Wärmeschutzkonzept des Gebäudes im Winterbetrieb durch den Einsatz einer mechanischen Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Das Ergebnis: ein hygienischer Lufthaushalt, der den Verlust von Lüftungswärme gering hält. Weitere Elemente des Energiekonzepts sind die aktive Bauteilkühlung über Brunnenwasser und ein Miniblockheizkraftwerk, kombiniert mit einem Brennwertkessel.

Fazit der Jury: „Erhöhte Investitionskosten können nicht nur durch verminderte Betriebskosten, sondern auch durch nachhaltigen Flächengewinn aufgewogen werden.“ Gerade im Hinblick auf die enorm steigenden Primärenergiekosten sei dieses Projekt beispielhaft. Solch ein ausgeklügeltes Energiekonzept, bei dem mehrere Komponenten ineinandergreifen, haben zwar auch andere Gebäude vorzuweisen, doch wirklich neu ist die flächendeckende Verwendung der VIP-Technik an einem Haus dieser Größe. Die prämierte Immobilie hat ca. 1.250 Quadratmeter Nutzfläche. Über der zweigeschossigen Tiefgarage sind auf sieben Geschossen Büros und Wohnungen untergebracht. An der gesamten Fassade werden die VIP in ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) integriert. Von innen nach außen sind die Außenwände folgendermaßen aufgebaut: Beton, VIP, WDVS, mineralischer Putz. Die Entscheidung für den Einbau dieses aufwendigen Systems fiel, weil der Standort unter dem Gesichtspunkt der Wärmedämmung gleich zwei Nachteile miteinander vereint: Zum einen wird das Haus durch gegenüberliegende Gebäude verschattet. Außerdem steht es bislang als Solitär. Ein direkter Anbau an einer Seite ist künftig zwar möglich, doch bislang ist auch diese Flanke offen.

Trotz dieser widrigen Umstände erreicht der Neubau einen Heizwärmebedarf von jährlich ca. 20 Kilowattstunden pro Quadratmeter. Das entspricht etwa 2 Litern Heizöl, 2 Kubikmetern Erdgas oder 4 Kilogramm Holzpellets. „Durchschnittliche Wohn- und Geschäftshäuser in München haben Verbrauchswerte von 200 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr“, betont Pool. Ein Niedrigenergiehaus – ein Neubau oder ein sanierter Altbau, der den wärmetechnischen Anforderungen der Energieeinsparverordnung entspricht – kommt im gleichen Rahmen auf einen Wert von 40 bis 79 Kilowattstunden. Für sogenannte Dreiliterhäuser veranschlagt man 16 bis 39 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Was darunter liegt, darf sich Passivhaus nennen. „Wird die bislang noch offene Seite erst einmal von einem Haus auf dem Nachbargrundstück flankiert, so Pool, „können solche Werte unter 15 Kilowattstunden erreicht werden.“

Die VIP-Dämmung spart Energiekosten und schafft Platz. Aber sie kostet auch. Ab wann sich ihr Einsatz lohnt, rechnet Pool vor: „Bei VIP-Produktion in höherer Stückzahl und rationalisierter Herstellung sind Mehrkosten von rund 100 Euro pro Quadratmeter Nutzfläche realistisch. Spart man sich damit 20 Zentimeter an der Außenhaut, wird der gewonnene Quadratmeter mit 1.500 Euro erkauft.“

Neben dem rein ökonomischen Aspekt sieht Pool auch neue Möglichkeiten energiebewusster Architektur dank VIP: Je dünner die Außenwände trotz Dämmung sind, desto geringer der Zwang zu kompaktem Bauen. Erker, Loggien, Terrassen? VIP macht’s möglich. „Damit können Passivhäuser mehr nach dem Wohnwert und nicht nur nach dem Energiewert gestaltet werden, freut sich Pool. Und mit Blick auf urbanes Leben: „Das Passivhaus muss auch Standard für Stadtwohnungen werden.“