„Kein schöner Land“ gegen die Abschiebung

AUFENTHALT Wenn niedersächsische Kinder jetzt Heimatlieder singen, ist das für manche besonders brisant

Gerd-Peter Münden grinst breit. „Wir sind stolz darauf, Niedersachsen zu sein!“, ruft er weit mehr als 1.000 Grundschulkindern zu, die sich in der Göttinger Lokhalle eingefunden haben. Münden ist Initiator des Projekts „Klasse! Wir singen“, das landesweit in vielen Städten Liederfeste organisiert hat. „Wir finden es wichtig, dass ein Kind eine Heimat hat“, sagt Münden. „Ein Kind, das Wurzeln hat, wird nicht umgeschmissen.“ Dann stimmt er „Kein Schöner Land“ an – zusammen mit Erst- bis Siebtklässlern aus den Kreisen Northeim, Osterode und Göttingen. Unter ihnen ist auch der achtjährige Erjan I., dem die Abschiebung droht.

Im Foyer der Lokhalle stehen Kinder und Eltern der Klasse 1b der Göttinger Leinebergschule und halten ein Transparent hoch. „Keine Abschiebung!“, steht darauf und „Erjan soll bleiben“. Sie fordern ein dauerhaftes Bleiberecht für ihren Mitschüler und seine neunköpfige Familie. Seit einem Jahr steht sie auf der Liste jener rund 30 Menschen allein in der Stadt Göttingen, die ins Kosovo abgeschoben werden sollen.

Familie I. gilt als geduldet und erhält jeweils Aufenthaltsgenehmigungen, die nur für einen Monat gültig sind. „Eine Abschiebung droht nicht akut, schwebt aber wie ein Damoklesschwert über der Familie“, sagt Patrick von Brandt von der Elterninitiative. „Die ständig drohende Abschiebung ins nackte Elend ist eine unerträgliche Belastung für die Schüler und ihre Familien“, ergänzt seine Mitstreiterin Barbara Nägele.

Zu jung, um zu bleiben

Zwar hat das niedersächsische Innenministerium beschlossen, „gut integrierten geduldeten ausländischen Jugendlichen“ ein eigenständiges Aufenthaltsrecht zu gewähren. Für Erjan I. aber gilt das nicht: Er ist zu jung. Mindestens 15 müssen die Jugendlichen sein, um einen Antrag stellen zu können. Deshalb könnte Erjan abgeschoben werden, obwohl er hier geboren wurde.

„Keine Hinweise“ hat Manfred Kuhlmann darauf, dass in naher Zukunft Abschiebungen aus Göttingen geplant sind. Diese würden vom Land angewiesen, sagt der Leiter des städtischen Fachbereichs Ordnung. „Wir haben noch keine Nachricht bekommen, dass Rückführungen geplant sind.“ BENJAMIN LAUFER