DER SOHN DER NACHBARIN
: Kackwurst

Auch mich packte das Kackfieber

Durchfallalarm! Ein Anruf der Nachbarin weckte mich. „Emilio hat Durchfall und ist zu Hause geblieben. Kannst du ab und an nach ihm schauen?“ Die Nachbarin war auf Dienstreise, der Vater auf Heimaturlaub in Peru, und der 9-jährige Sohn allein zu Haus – allein mit seinem Durchfall. Ich rief die Mutter an und erzählte ihr von dem ultimativen Hausmittel gegen Durchfall: geriebene Muskatnuss. Die Mutter war skeptisch, ob das Pulver die Zustimmung der Geschmacksnerven ihres Sohnes treffen werde. „Papperlapapp“, erwiderte ich, „es kommt nur drauf an, ihm das Zeug gut zu verkaufen.“

Ich schnappte mir eine Muskatnuss und ging rüber. Der junge Mann und ich saßen im Bademantel am Küchentisch und amüsierten uns über flüssigen und festen Stuhlgang. Weil Fäkalbegriffe auf Kinder eine besondere Faszination ausüben, war es ein Leichtes, ihm die Muskatnuss als Zaubermittel zu verkaufen, das die flüssige Kacke besiegt. Anstandslos schluckte er die geriebene Muskatnuss von der Löffelspitze. Da packte auch mich das Kackfieber. Weil es um die Wurst ging, fragte ich ihn, was er davon hielte, aus Pappe eine Kackwurst zu basteln, die wir in die Kloschüssel legen, um seiner Mama ein Foto aufs Handy zu schicken. Erwartungsgemäß hielt er viel davon.

Minuten später schwamm eine stattliche Wurst im Klo – ein herrliches Fotomotiv. Dann fragte ich ihn, ob er wisse, warum man eigentlich von „Stuhlgang“ spricht. Er überlegte eine Weile. „Vielleicht“, antwortete er schließlich, „weil ein Klo wie ein Stuhl aussieht?“ Kein Wunder, warum gleich zwei Gymnasien bereit sind, das schlaue Kerlchen aufzunehmen. Die braun bemalte Pappwurst sah so echt aus, dass er sie nach der Fotosession herunterspülen wollte. Mit spitzen Fingern zog ich sie heraus und warf sie in den Abfalleimer. Dann verabreichte ich ihm noch eine Löffelspitze Muskatnuss.

BARBARA BOLLWAHN