Agenda 2010
: Ein Hoch der Zentrifuge!

Es gibt genug für alle,

es gibt viel schnelles Geld,

wir haben raue Mengen

und wir teilen diese Welt,

und wir stehen in der Pflicht.

(Herbert G.)

Alle wollen ein Stück vom Himmel. Einer hat schon eins. Naja, nicht ganz. Von Timothy Francis Leary kreisen immerhin sieben Gramm zentrifugal über unseren Köpfen. Kein LSD, Gott bewahre, sondern pure Asche des amerikanischen Drogen-Gurus, dessen neuroatomare Experimente zum Teil von der CIA finanziert wurden. Die wissen schließlich, was gut ist für alle Menschen auf der Welt.

Was hat das nun mit der Europäischen Kulturhauptstadt 2010 zu tun? Hier hat die CIA ihre Finger nicht im Spiel, hoffe ich. Aber über die Zentrifugalkräfte könnte man nachdenken. In Labors werden damit wichtige Bestandteile einer Masse getrennt. Quasi die Essenz nach außen gedrückt. Wenn man diesen Gedanken auf die Ruhrregion anwendet, könnten Zentrifugalkräfte die wichtigsten Bestandteile des kulturellen Ganzen in die Peripherie treiben. Dahin, wo die Kulturhauptstadt eigentlich nur kaum stattfinden soll. In die Randgemeinden Oer-Erkenschwick, Breckerfeld, Fröndenberg oder Sonsbeck. Schon heute hat die Politik dort Schwierigkeiten, den Bürgern dort den Wert der Marke Kulturhauptstadt nahe zu bringen. Als potentielle Gewinnerstädte gelten ganz sicher Essen, die ehemalige Vertreterstadt für die EU-Bewerbung des Reviers, Bochum mit seiner universellen Jahrhunderthalle, Dortmund mit einem Kulturhistoriker als Bürgermeister sowieso und vielleicht noch das Rhein/Ruhr-Knie Duisburg, aus dem immerhin zwei künstlerische Direktoren der Ruhr 2010 GmbH stammen.

Vielleicht könnte in dieser Zentrifugal-Idee auch die Chance der freien Szene liegen, quasi eine heilige Allianz zwischen Kleinkunst und Kleingemeinde. Diese Peripherie könnte künstlerisch besetzt und gemeinsam mit den Kommunen vermarktet werden, um so Disparitäten nicht nur in der kulturellen Wahrnehmung, sondern auch in der öffentlichen Infrastruktur auszugleichen. Auswärtige Besucher könnten so 2010 vielleicht auch einmal in Ruhe um das strategisch besetzte Mainstream-Epizentrum rotieren. Unter der Voraussetzung natürlich, das sich in der Peripherie auch ein ausreichend interessanter und natürlich finanzierter freier Projekte-Pool abarbeiten kann.

Herbert Grönemeyers neuester Song (siehe oben) scheint da hellseherische Fähigkeiten zu haben. Besonders die letzte Zeile passt wie Timothy Leary zur gerade bestaunten Mondfinsternis. Es besteht geradezu eine Pflicht, bestimmte Protagonisten der Ruhrkultur und Randbezirke des Ruhr-Zone nicht auszugrenzen. Ein Hoch auf die Zentrifuge

PETER ORTMANN