„Dresden, du Arschloch!“

Fortuna Düsseldorf rettet einen Punkt gegen Dynamo Dresden. Bei den Fangesängen liegen die Gäste vorn

DÜSSELDORF taz ■ Es war ein Rückfall in die Zeit vor 1989. Eingepfercht und entrechtet wie zu Honeckers Zeiten hockten 4.000 Fans von Dynamo Dresden im Oberrang der Düsseldorfer Arena. Bewacht von hunderten Ordnern und umgeben von einem breiten Sicherheitsstreifen zu den Heimfans verfolgten die ostdeutschen Fußballfreunde am Samstag die Drittligapartie am Rhein. Als Zeichen der Demut entrollten einige der Sachsen-Supporter ein Transparent: „Entschuldigung für diese Idioten.“ Damit wollte sich der Dynamo-Mainstream von 50 Hooligans distanzieren, die vergangene Woche Jagd auf die eigene Elf gemacht hatten (taz berichtete).

In Düsseldorf blieb es weitgehend friedlich. Als Symbol der Beschwichtigung wählten die Gästefans die Liedermacherei. Ironisch-selbstkritische Songs sollten die Stimmung aufhellen. Und so sangen sie: „Wir kommen aus dem Osten, wir leben auf eure Kosten“ oder „Ohne Hartz Vier wären wir gar nicht hier“. Der Fortuna-Anhang war da weniger kreativ. „Scheiß Dynamo“ sang die westdeutsche Mehrheit der 18.000 Zuschauer. Ein junger Mann mit Deutschland-Trainingsjacke und linksrheinischem Dialekt grölte: „Dresden, du Arschloch!“

Ähnlich niveauvoll wie die Sprechchöre ihrer Fans war über weite Strecken das Spiel der Fortuna. Als hätte das Trainerteam um den wie einige Spieler grippekrank fehlenden Uwe Weidemann 20 Liegestütze Strafe für einen vertikalen Flachpass ausgeschrieben, droschen die Düsseldorfer einen hohen Ball nach dem anderen in Richtung Mittelstürmer Marcus Feinbier. Weil der aber recht hüftsteif ist und vor dem Torabschluss zuweilen absurd zögert wie ein Tippkickmännchen, das darauf wartet, dass ihm endlich jemand auf den Kopf haut, sahen die solide verteidigenden Dresdener lange wie der sichere Sieger im munteren Kerzenwettschießen aus.

Der langnasige Ex-Rostocker Marco Vorbeck hatte die Sachsen in der 23. Minute in Führung gebracht – sein Abstauber blieb die einzige Strafraumszene der Gäste. Fortuna reagierte wütend, aber einfallslos: Bis sechzig Meter vor das Gästetor trieben die Düsseldorfer den Ball, dann folgte der lange Schlag. Die meist aus Standardsituationen, Gewaltaktionen von „Hammer-Ali“ Albertz oder Abprallern entstehenden Torchancen hielt der starke Gästekeeper Oliver Herber.

Paradoxerweise war es Herbers Hochform, die den Fortunen dennoch den Weg zum Punktgewinn ebnete. Nachdem die Düsseldorfer sich Mitte der zweiten Hälfte fast ergeben hatten, weckte der siegessichere und übermütige Torwart die Heimfans in der Kurve hinter sich mit Provokationen. Erst die darauf unvermeidbar folgenden Flaschenwürfe und Rauchbomben sorgten für die folkloristische Regionalliga-Kriegsstimmung, die es brauchte, um das Spiel noch zu wenden. In der dritten Minute der Nachspielzeit gelang Einwechselstürmer Denis Wolf per Kopf das 1:1 – natürlich nach einem Eckball.

„Es gibt Minuten, die ein ganzes Leben verändern können“, sagte der Schütze nach Spielende pathetisch. Die verletzungsgeschwächte Fortuna-Elf feierte das Remis und die Rückkehr auf einen Aufstiegsplatz überschwänglich – mit einem menschlichen Jubel-Berg. Die Dresdener Fans flüchteten entsetzt aus ihrem Hochsicherheitstrakt, die Wessis waren der gefühlte Sieger. MARTIN TEIGELER