„Um Bastürk zu halten, würde ich einiges tun“

Seit seinem neunten Lebensjahr ist Seeed-Frontmann Pierre Baigorry Fan von Hertha BSC. Der Kreuzberger über die Ästhetik des Grüns, die Polizeieskorte von Franz Beckenbauer und die Notwendigkeit, seinen Heimatverein zu lieben

taz: Herr Baigorry, Marko Pantelic hat vor der Rückrunde prognostiziert, dass Hertha 14 Spiele gewinnt und am Ende 70 Punkte holt. Das ist schon jetzt nicht mehr möglich. Ist auch Pantelic dem typischen Berliner Größenwahn verfallen?

Pierre Baigorry: Wenn es sich einer leisten kann, so zu tippen, dann er. Pantelic bringt es ja auch. Ansonsten sieht man, dass Hertha leider zu unkonstant ist. In einem Moment kann man richtig ansehnliche Spielzüge bestaunen und im nächsten verkacken sie gnadenlos. Aber irgendwie finde ich das ganz sympathisch. Ich erwarte ja nicht, dass sie Meister werden. Obwohl ich schon seit langem wieder auf einen Champions-League-Platz hoffe. Ich würde gerne mal wieder einen Verein wie den FC Barcelona im Olympiastadion sehen.

Was macht für Sie den Reiz der Hertha aus?

Hertha ist der größte Verein in der Stadt. Außerdem finde ich gut, dass bei dem Klub im Moment viele junge Berliner spielen. Und ich bin nun mal Berliner. Warum sollte ich auf Köln abfeiern? Das macht einfach keinen Sinn. Man muss einfach Fan des Vereins aus der Heimatstadt sein.

Nicht alle handeln nach dieser Maxime. Die Hertha kriegt das Olympiastadion selbst in erfolgreichen Zeiten selten voll. Warum hat der Verein in der Stadt so ein schlechtes Image?

Eine Zeit lang hat sie es sich bei den Berlinern ziemlich verscherzt: Alles wirkte so irre piefig, und der Verein wurde etwas halbseiden geführt. Außerdem war es das Grauen, in Zweitligazeiten mit 8.000 Leuten im Olympiastadion zu sitzen. Auch heute ist das Stadion eines der Probleme des Vereins. Zum Fußballgucken ist das Olympiastadion voll ungeil: Man ist einfach nicht nah dran am Spielfeld. Noch dazu sind die Berliner von Natur aus nörgelig, und das schlägt dann schnell in Nichtbegeisterungsfähigkeit um. Ich gehe beim Fußball gerne ab, und wenn ich während eines Spiels aufspringe, rufen die meisten gleich: Nu setz dich mal wieder hin! Ich antworte dann immer: Steh du doch auch auf, du Depp! Aber so ist halt Berlin. Ohne die Fankurve wäre da gar nichts los.

Was fasziniert Sie generell am Fußball?

Ich fand immer das Grün des Rasens toll, wenn die Glotze anging. Rein ästhetisch ist das einfach edel. Wenn man dann mal im Stadion ist und miterlebt, wie es dort abgeht, kommt man vom Fußball nicht mehr los. Als ich bei Hansa 07 in Kreuzberg spielte, hatten wir einen richtig guten Trainer, von dem wir viele Fußball-Basics gelernt haben: hinterlaufen, verschieben … Dinge, die man auch in der Bundesliga sieht. Gerade wenn man das alles kennt, hat das Spiel immer eine Faszination – auch wenn es nicht 5:1 ausgeht. Außerdem ist es einfach beeindruckend, wie gut die Profis Fußball spielen.

Seeed hat bei der WM-Eröffnungsfeier gespielt – war das Ihr schönster Augenblick im WM-Sommer?

Nee, da hatten wir nur Stress mit der Fifa. Wir durften noch nicht einmal unser Bandlogo anbringen. Außerdem hatten wir überhaupt keinen Einfluss darauf, wie der Auftritt rüberkommt. Ich fand ihn eher doof. Die geilste Story war eigentlich mit dem Kaiser: Ich war mit einem Kumpel auf dem Weg zum Viertelfinalspiel gegen Argentinien. Wir sind zwei Stunden vor Anpfiff mit seinem Motorrad losgefahren, aber wegen der Fanmeile war in Berlin absolut kein Durchkommen. Dann ist original Kaiser Franz samt Polizeieskorte durch den Stau an uns vorbeidirigiert worden. Wir haben es zufällig gesehen und haben uns drangehängt. Franz persönlich hat uns also zum Stadion durchgeboxt – das war der Knaller.

Während der WM wurden die Songs von Xavier Naidoo und Sportfreunde Stiller bis zum Erbrechen gespielt. Im Olympiastadion läuft seit einer gefühlten Ewigkeit Frank Zanders Hertha-Hymne. Was halten Sie von dem Lied?

Das ist der perfekte Stadionsong. Beim Fußball muss das auch nicht ein wahnsinnig cooler Song sein, da ist so ein Gröllied schon in Ordnung. Komplizierte Doppelreime braucht man nicht.

Frank Zander hat gesagt, er könne sich vorstellen, mit Seeed gemeinsam einen neuen Hertha-Song aufzunehmen.

Hat er? Aha.

Würden Sie denn mit ihm zusammen eine Fußballhymne einspielen?

Wir haben mal gesagt, dass wir einen Song machen, wenn Bastürk bleibt. Ehrlich gesagt haben wir aber genug zu tun. Man müsste schon eine gute Idee haben, ganz anders als andere Fußballlieder, damit wir es auch mit vollem Herzen performen könnten. Und das ist nicht einfach. Ich finde den Song von Frank Zander wirklich voll okay.

Wenn Hertha nun wider Erwarten doch noch in die Champions League einziehen sollte und Bastürk bleibt, sehen wir dann Sie und Frank Zander Arm in Arm den Hertha-Song trällern?

Um Bastürk zu halten, würde ich so einiges tun. INTERVIEW: DANIEL MÜLLER UND JOHANNES SCHARNBECK