Kampfjets greifen Ziele in Tripolis an

LIBYEN Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen islamistischen Milizen und ihren Gegnern eskalieren. Für den Fall der Fälle erwägen Parlamentarier die Anmietung eines Wohnschiffs

TOBRUK taz | In der Nacht zu Montag hat der Lärm von Kampfflugzeugen über Tripolis und die Explosionen auf einem riesigen Munitionsdepot der Hiteen-Miliz aus Misrata eine weitere Eskalationsstufe der bürgerkriegsähnlichen Kämpfe angekündigt. Die Bomben der Flugzeuge unbekannter Herkunft zerstörten den Nachschub der Gruppen, die seit dem 15. Juli in Tripolis gegen gemäßigt-konservative Milizen, sogenannte Gaddafi-Anhänger, aus Sintan südwestlich der Hauptstadt vorgehen. Ganze Straßenzüge wurden zerstört, 36.000 Einwohner sind auf der Flucht.

Die Stadtmilizen von Misrata und Gharian wollen gemeinsam ihren Verbündeten, den Islamisten, zudem verhindern, dass die libysche Luftwaffe den internationalen Flughafen wie in Bengasi als Basis für Angriffe gegen sie nutzen kann. Nach der Übernahme der Luftwaffenbasis Al Wettia südlich von Tripolis haben die Luftwaffenpiloten unter dem Kommando von General Chalifa Haftar, eines Gegners der Islamisten, jedoch eine alternative Basis gefunden.

Mangels Nachtsichtausrüstung libyscher Migs wird jetzt in Libyens sozialen Netzwerken über einen Angriff algerischer oder amerikanischer Jets spekuliert. Keine der an den Kämpfen beteiligten Milizen verfügen über Kampfflugzeuge. Auf dem ehemaligen Militärflughafen von Misrata stehen sieben Migs bereit. In Tripolis fürchten viele, diese könnten nun gegen die Stellungen der Sintanis eingesetzt werden.

„Der drei Jahre schwelende Konflikt zwischen Islamisten und ehemaligen Regimevertretern könnte ganz Libyen in einen unnötigen Krieg ziehen“, befürchtet der Aktivist Fatih Fellani. „Es bleibt nicht viel Zeit, diesen Teufelskreis aus Gewalt und Propaganda zu stoppen.“

Am Montag wurde der Luftraum über Libyen geschlossen, die unregelmäßigen Flugverbindungen mit Kairo, Tunis und Istanbul wurden abgesagt. Für die nächsten Tage wird der EU-Sondergesandte Bernardino León in Tripolis erwartet. Die UNO hatte zuvor erfolglos versucht, einen Waffenstillstand zu vermitteln. Doch die Zeichen stehen auf Sturm. In Bengasi bereitet die Revolutionäre Schura-Allianz einen Sturm des Flughafens Benina vor. Mit dem Fall ihrer letzten Bastion hätte die Armee um Haftar den Kampf um die zweitgrößte Stadt Libyens verloren. Am Wochenende verkündete die größte Islamistenmiliz, Ansar Scharia, dass Demokratie und ein Parlament in einem künftigen Libyen keinen Platz hätten. Derweil diskutieren die Abgeordneten in der nur 200 Kilometer von Bengasi entfernten Hafenstadt Tobruk schon mal über die Anmietung eines Wohnschiffs, damit sie sich im Falle eines Angriffs in Sicherheit bringen können. MIRCO KEILBERTH