Scientology expandiert in Niedersachsen

Seine größte Niederlassung in Deutschland will der Glaubens-Konzern in Hannover eröffnen: Gesucht wird derzeit ein neues Bürogebäude, größer als die Zentrale in Berlin. Stadt und Evangelische Kirche lehnen die Expansion ab

von KAI SCHÖNEBERG

Ein Erdgeschoss in einem schäbigen Haus in einer Seitenstraße unweit des hannoverschen Bahnhofs – hier residiert derzeit das „Dianetik-Zentrum“ der Scientologen. Doch das 300 Quadratmeter-Anwesen reicht ihnen nicht mehr: „Wir suchen für die Scientology Kirche in Hannover ein Objekt mit einer Bürofläche von ca. 5.000 Quadratmetern in attraktiver Lage“, schreibt die „Leitende Direktorin“ der niedersächsischen Scientology-Filiale, Patricia Fardeau Götz, in einem Fax an mehrere Makler der Landeshauptstadt. Ein solches Gebäude wäre nicht nur das größte Scientology-Domizil in Deutschland, es würde in City-Nähe etwa zehn Millionen Euro kosten – nicht zu teuer für Scientology.

Offenbar soll die „Mission“ in Hannover, die der Hamburger Norddeutschland-Zentrale zugeordnet ist, stark aufgewertet werden. Die „Vorstellungen“ des Glaubens-Konzerns entsprächen „im Großen und Ganzen“ dem Gebäude der Scientologen in Berlin, heißt es in dem Fax. Dort hatte Scientology im Januar seine Deutschland-Zentrale eröffnet – mit nur 4.000 Quadratmetern Fläche.

Die Ablehnung gegen das Projekt ist an der Leine deutlich: Die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann forderte Scientology auf, offen zu legen, „was ihre Inhalte und Ziele sind, wie sie Mitglieder wirbt und vor allem, wie sie sich finanziert“. Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) rief Immobilienbesitzer und Makler dazu auf, nicht an die Sekte zu verkaufen: „In Hannover sind Scientologen ausdrücklich unerwünscht“, sagte Weil. Wohl wissend, dass er kaum Möglichkeiten hat, die Expansion zu verhindern.

„Die Kurse von Scientology sind lebensgefährlich“, sagt der evangelische Sektenbeauftragte von Berlin, Thomas Gandow. Das Hannover-Projekt könnte möglicherweise Teil der im vergangenen Jahr verkündeten Europa-Strategie der Scientologen sein: Im Zuge derer habe die Organisation bereits in Madrid und London so genannte „ideale Orgs“ gegründet, mutmaßt Gandow. Franchise-Nehmer würden auf eigene Rechnung den Zentralen zuarbeiten – wie bei Burgerrestaurants.

Ein Teil des Plans: die Eröffnung der Zentrale in Berlin. Dort habe eine Potsdamer Briefkastenfirma namens „Waterfront“ das Gebäude gekauft. Nun arbeiteten in Berlin 150 Mitarbeiter für Scientology. „Die machen unheimlich Druck“, sagt Gandow: Scientologen verteilten Hefte an Berliner Schulen, böten Nachhilfeunterricht und machten Werbung an Ständen. Allerdings warnt Gandow vor Panik. „Scientology betreibt eine Öffentlichkeitsarbeit, die nur auf Erwähnung aus ist: Zum Beispiel, dass der Scientologe Tom Cruise die Placenta seiner Frau isst.“

„Sie gehen immer dahin, wo sie am wenigsten Schwierigkeiten erwarten“, sagt Ursula Caberta von der Hamburger Arbeitsgruppe Scientology (AGS). Diese berät im Auftrag der Innenbehörde Aussteiger oder auch Kommunen bei Problemen mit der Organisation des Gründers L. Ron Hubbard. In Hannover habe die Stadt wenig gegen Info-Stände der Scientologen getan, sagt Caberta. Während das niedersächsische Innenministerium zuletzt „eine leicht rückläufige Tendenz“ bei den Mitgliederzahlen registrierte, sind die Scientologen im Land aus Cabertas Sicht sehr aktiv. Im vergangenen Jahr wurde eine neue „Mission“ in Oldenburg gegründet, zudem betreibt Scientology einen Verlag in Seevetal und ein Schulungszentrum in Garbsen. Die Methoden der Scientologen werden zwar vom Verfassungsschutz als möglicherweise verfassungswidrig eingeschätzt, verdeckte Ermittlungen gibt es jedoch in Niedersachsen nicht.

„Wir haben dieselben Rechte wie andere Bürger auch“, sagt Maja Nüesch, Sprecherin von Scientology in München. Die Organisation plane, sich in Hannover „für Andachten und geistliche Beratung“ zu „vergrößern“. Konkreter wird sie nicht: „Es handelt sich um ein langfristiges Projekt. Ob wir kaufen oder mieten, steht noch nicht fest.“

„Ich hab gar nicht reagiert“, sagt Makler Joachim Wehrmann, der auch ein Anschreiben der Scientologen erhalten hat. Obgleich ihm eine hohe Provision winkt, sagt Wehrmann: „Geld ist nicht alles.“