Laubenpieper auf Giftdeponie

In Georgswerder soll eine Kleingartenkolonie umziehen, weil der Boden stark mit dem krebserregenden Benzpyren belastet ist. Die Handelskammer sähe dort gern einen Gewerbepark

VON GERNOT KNÖDLER

In Wilhelmsburger Kleingärten sind große Mengen giftigen Benzo(a)pyrens gefunden worden. Wird der Stoff eingeatmet oder gegessen, kann er Krebs hervorrufen. „Die Erde darf nur mit Handschuhen angefasst werden“, warnt Volker Dumann, der Sprecher der Umweltbehörde. Rund 50 Kleingärtner müssen nun ihre Parzellen verlassen. Bei manchen im Stadtteil haben die Giftmessungen indes Misstrauen hervorgerufen: Diese passten allzu gut zu dem Vorschlag der Handelskammer, ein Gewerbegebiet auf dem Gelände der Laubenkolonie einzurichten.

Ein bisschen gruselig ist es in den Kleingärten am Niedergeorgswerder Deich ohnehin: Sie liegen in einem Autobahnknie, dort wo die Wilhelmsburger Reichsstraße als A 252 auf die A 255 Richtung Hannover führt. Auf der anderen Seite des Autobahndreiecks liegt die Norddeutsche Affinerie, die jahrzehntelang tonnenweise Schwermetall und Arsen in die Luft gepustet hat. Und direkt neben den Gärten erhebt sich die Deponie Georgswerder, ein weithin sichtbarer, begrünter Müllberg, aus dem Dioxin sickert.

Wegen der Nähe zur Affinerie, sagt Dumann, habe der Senat bereits 1985 Proben von Pflanzen aus den Gärten nehmen lassen. Die damaligen Befunde hätten die Gesundheitsbehörde veranlasst, vom Gemüseanbau abzuraten. Auf Benzpyren hin seien die Gärten untersucht worden, weil der Stoff 1999 in das Bodenschutzgesetz aufgenommen worden sei. In der Kolonie 723 wurde der Stoff Dumann zufolge 2004 im Rahmen eines Untersuchungsprogramms für „Kleingärten mit Verdacht auf Bodenbelastung“ entdeckt. Bei erneuten Proben 2006 seien „unglaubliche Schadstoffmengen“ nachgewiesen worden: viermal mehr, als in Wohngebieten zulässig ist. Einem Zeitzeugen zufolge ist auf dem Gelände der Kolonie in den 20er Jahren Asche und Schlacke abgekippt worden. Für die Kleingärten wurde das Ganze dann mit Mutterboden bedeckt.

Die Messwerte sind auch aus Sicht des BUND-Landesvorsitzenden Harald Köpke „unstrittig“. Der Umweltschützer fragt sich allerdings, wieso der Senat ausgerechnet jetzt den Boden hat untersuchen lassen, während das bei vielen potenziell belasteten Gebieten nicht geschehe. „Nur wenn jemand kommt, und sagt, da könnte man ein Gewerbegebiet machen, tut man was“, schimpft Köpke. In der Tat ist der nördlichste Teil der Kolonie ist im Flächennutzungsplan von 1997 als Gewerbegebiet ausgewiesen. Auf dem Rest hat die Handelskammer 2004 einen Gewerbepark für die Internationale Bauausstellung (IBA) 2013 vorgeschlagen.

Helga Schors von der Bürgerinitiative Georgswerder findet, der Senat müsste für jede einzelne Parzelle die Giftigkeit nachweisen. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das flächendeckend ist“, sagt sie. Statt ein Gewerbegebiet daraus zu machen – was nicht entschieden ist – sollten die Flächen für die Kleingärtner saniert werden. „Wir haben immer einen Lastenausgleich für die Mülldeponie gefordert“, sagt Schors. Ein Gewerbegebiet wäre aus ihrer Sicht das Gegenteil.

Der Kleingärtner Norbert Christiansen von der Initiative „Zornige Gartenzwerge“ fordert von der Stadt Entschädigungen und Ersatzflächen in der Nähe. Die Umweltbehörde sei bereits auf der Suche, versichert Sprecher Dumann. Wie hoch die Entschädigungen sein könnten, sei fest mit dem Landesbund der Gartenfreunde vereinbart, was dieser bestätigt. Behörde wie Landesbund finden, es sie im Interesse der Pächter, wegzuziehen: Schließlich sei mit den belasteten Gärten nichts anzufangen. „Man kann sich nur in den Gartenstuhl setzen“, sagt Dumann, „und bei windstillem Wetter in die Gegend kucken.“