Luxemburg macht alle glücklich

Auftakt zum Deutungskrieg: Die norddeutschen Ministerpräsidenten fühlen sich trotz gegenteiliger Haltungen durch das Glücksspiel-Urteil des Europäischen Gerichtshofs bestätigt und begrüßen es einhellig. Klarheit aber bringt es nicht

Erfreut hat gestern Christian Wulff (CDU) auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu Sportwetten reagiert. Er sehe keinen Anlass, von dem gewählten Weg abzuweichen, sagte Niedersachsens Ministerpräsident in Hannover. Mit ähnlichen Worten und gleicher Aussage trat 250 Kilometer nördlich sein Amts- und Parteikollege vor die Presse: Er fühle sich bestätigt, so Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen.

Erstaunlich, denn beide vertreten gegensätzliche Positionen: Der amtierende Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) Wulff bekräftigte, den im Dezember durch 15 Länderfürsten abgesegneten Lotto-Staatsvertrag vorantreiben zu wollen. Dessen Kritiker „werden enttäuscht sein“, frotzelte er. Doch davon war in Kiel nichts zu spüren. Sein Nein zum Staatsvertrag habe sich als richtig erwiesen, lobte sich Carstensen: „Ich gehe davon aus, dass dies berücksichtigt wird.“

Ursache des Deutungskrieges: Das Geld. Für die Bundesländer geht’s beim Glücksspiel um zwei Milliarden Euro Einnahmen, für die börsennotierten privaten Wettanbieter um mindestens ebenso viel. Möglich wird die interpretatorische Vielfalt dadurch, dass sich das Urteil nur mittelbar auf Deutschland bezieht: Gesprochen hatte der EuGH in einem italienischen Verfahren. Das dortige Gesetz sei nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbar – weil es alle „Kapitalgesellschaften vom Glücksspielsektor ausschließt“, so die Luxemburger Richter. Ob die jeweilige nationale Begrenzungsregelung den legalen Zielen entspricht, Wettbetrug und Spielsucht zu unterbinden, hätten die Gerichte der Einzelstaaten zu entscheiden.

Denen griffen nun Lottototo-Block-Vertreter und Privatzocker vor. So bratzte Bremens Lotto-Geschäftsführer Michael Barth, ein Konzessionsmodell sei nicht durchführbar und die privaten Wettanbieter hätten „verloren“. Deren Verbandspräsident Norman Faber jubilierte derweil in Hamburg, das Urteil mache den „geplanten Glücksspielvertrag zur Makulatur“. Und „eine eingeschränkte Liberalisierung“ – sprich: Konzessionsmodell – sei „die einzige Lösung“. Verwirrung, die sich auch im Aktienkurs von Sportwettenanbieter bwin spiegelte: Nach dem Urteil legte das Papier um 20 Prozent zu, verlor dann wieder 15 Prozent, um bis Börsenschluss auszuzittern.

„In einem europarechtlichen Punkt haben wir jetzt Klarheit“, hatte Carstensen das Urteil kommentiert – ein Irrtum. bes

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