Klima wandelt Politik

Umdenken im Kohlekraftland: Die Stadt Krefeld verhindert den Bau eines Steinkohlekraftwerks im Chemiepark Uerdingen. Grund: Die Sorge ums Klima. Umweltschützer feiern, Regierung ist irritiert

VON MIRIAM BUNJES

Um das Klima zu schützen, will der der Rat der Stadt Krefeld heute den Bau des Steinkohlekraftwerk im Chemiepark Uerdingen kippen. „Klimaschutz fängt im Lokalen an“, sagt Ulrich Hahnen, Vorsitzender der Krefelder SPD-Fraktion. „Ein Kohlekraftwerk, das mehr als vier Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Luft bläst, wollen wir nicht in unserer Stadt haben.“

Die Meinung des SPD-Chefs ist in Krefeld inzwischen Mehrheitsmeinung. Auch die zusammen mit der FDP regierenden Christdemokraten haben sich bei einer Fraktionssitzung einstimmig gegen das Steinkohlekraftwerk der Aachener Trianel-Gruppe ausgesprochen – ebenfalls aus Klimaschutzgründen.

Bleibt es heute dabei, bedeutet das für das mit einer Leistung von 800 Megawatt geplante Trianel-Kraftwerk das Aus. Nur die Stadt kann den Bebauungsplan so verändern, dass ein Großkraftwerk entstehen darf.

Die Pläne des Investors, einer Kooperation von 26 Stadtwerken, sind seit vier Monaten bekannt. Eine Milliarde will Trianel investieren, um etwa 1,5 Millionen Haushalte mit Strom zu versorgen. „Wir geben den Plan nicht auf“, sagt Martin Hector, Geschäftsführer der Trianel Power-Projektgesellschaft – und wirbt vor allem mit neuen Arbeitsplätzen bei Bau-, Zulieferer- und Wartungsfirmen. „Trianel sichert den Standort Uerdingen“, betont auch der Leiter des Bayer-Chemieparks, Wolfgang Bieber. Bayer betreibt zur Zeit ein eigenes Kraftwerk, um seine Chemiewerke mit Energie zu versorgen. Zwei fast fünfzig Jahre alte Kohlekessel müssen jedoch demnächst ersetzt werden – gerne durch Stromeinkauf bei Trianel. Die Kapazität des geplanten Werks liegt jedoch zehnmal höher als der Energiebedarf von Bayer. Mit dem zusätzlichen Strom wollten sich die Aachener Stadtwerke, Mitbetreiber des Baus, von den Stromriesen unabhängig machen.

Bayer soll mit regenerativen Energien oder mit Erdgas arbeiten, wünschen sich die Ratsfraktionen. „So ein Kraftwerk werden wir auch unterstützen“, sagt Ratsmitglied Ulrich Hahnen.

„Krefeld könnte anderen Städten aktiven Klimaschutz beibringen“, sagt Dirk Jansen vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) in NRW. Zur Zeit sind in NRW acht neue Steinkohlekraftwerke und ein Braunkohlekraftwerk in Neurath geplant. Sieben der geplanten Kraftwerke in Datteln, Hamm, Herne, Lünen und Köln sind noch im Genehmigungsverfahren. „Werden sie gebaut, gibt es sie erstmal für 40 Jahre“, sagt der Umweltschützer. „Und NRW bleibt dauerhaft Klimakiller.“ Tatsächlich besteht die Energie in NRWs Stromnetzen zu 85 Prozent aus Kohle, 44 davon aus der besonders schadstoffreichen Braunkohle.

Im NRW-Energieministerium stößt die Krefelder Entscheidung trotzdem auf „Irritationen“. „Das sollte ein hochmodernes Kraftwerk werden, andere Steinkohlekraftwerke stoßen mehr Kohlendioxid aus“, sagt Ministeriumssprecher Joachim Neuser. „Eine ökologischere Lösung wird noch Jahre dauern und so lange muss Bayer noch schmutzigeren Strom benutzen.“