Verschleppt oder in Minsk?

KASACHSTAN Rätselraten um oppositionellen Zeitungsverleger

Kurz vor den Präsidentschaftswahlen in Kasachstan am Sonntag ist der Verleger der Oppositionszeitung Respublika, Danjar Moldaschjew, verschwunden. Oder doch nicht? Fehlalarm oder Angriff auf die Pressefreiheit?

Auf einer Pressekonferenz in Almaty startete dessen Redaktion am Donnerstag einen dramatischen Suchappell. Die stellvertretende Redaktionsleiterin Oxana Makuchina berichtet, dass ihr 39 Jahre alter Chef nach der Rückkehr von einer Dienstreise aus Moskau am Samstag bei einem Raubüberfall eine Gehirnerschütterung erlitten habe. Dabei sollen ihm 40.000 US-Dollar geklaut worden sein.

Am Montag habe er von dem Überfall über Skype berichtet. Danach sei er verschwunden. Lediglich am Mittwoch sei ein Anruf eingegangen, wo er in gehetzter Stimme erklärt habe, dass er nun plötzlich in Minsk sei. Am Mittwoch hatte auch der Bruder in Anwesenheit der Polizei Moldaschjew über dessen kasachisches Handy erreicht, da habe Moldaschjew aber gesagt, er sei in Kiew. Seither haben weder die Redaktion noch sein Bruder etwas von Moldaschjew gehört. Das kasachische Innenministerium bestätigt in einer Presseerklärung am Donnerstag den Überfall am Samstag, gibt aber Entwarnung: Moldschajew sei danach nach Kiew gereist.

Die Respublika steht unter Druck. Die Auflage wird immer wieder beschlagnahmt, in die Redaktion wurde eingebrochen, und hohe Steuernachforderungen bedrohen das Blatt. Zudem erklärte die Vizeredaktionsleiterin, dass ihr Chef in Moskau observiert worden sei: „Wir schlagen lieber frühzeitig Alarm.“

In Kasachstan gibt es im Vergleich zu den despotischen Nachbarn Ansätze einer unabhängigen Presselandschaft, doch ereigneten sich in den letzten Jahren immer wieder Übergriffe auf Journalisten. Auf der „Feinde der Pressefreiheit“-Liste von Reporter ohne Grenzen steht das zentralasiatische Land auf dem 162. von 178 möglichen Plätzen.MARCUS BENSMANN