Sieg für den Lärmschutz

Bundesverwaltungsgericht gibt der Gemeinde Osterrönfeld bei Rendsburg Recht: Weil sich der Verkehrslärm auf der B 202 unvorhersehbar stark entwickelt hat, können die Anwohner noch Jahrzehnte später Schutzwände nachfordern

Anwohner neuer Straßen können noch nach 30 Jahren zusätzlichen Lärmschutz einfordern, wenn der Autolärm stärker zunimmt als erwartet. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gestern im Fall der schleswig-holsteinischen Gemeinde Osterrönfeld entschieden (Az. 9 C 2.06). Dass bei der Planung von Straßen in der Regel mit Verkehrsprognosen für die nächsten zehn bis 15 Jahren gearbeitet werde, ändere nichts an der 30-Jahres-Frist, die im Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehen ist.

1976 war auf dem Gebiet der Gemeinde bei Rendsburg eine neue, vierspurige Bundesstraße geplant worden, die einen Anschluss an das Autobahnkreuz Rendsburg herstellt. Nach Auskunft des Osterrönfelder Bürgermeisters Bernd Sienknecht ging der Planfeststellungsbeschluss davon aus, dass im Jahr 1990 durchschnittlich 8.000 bis 9.000 Autos am Tag über diese Strecke rauschen würden. Tatsächlich sei bereits 1990 das Doppelte gezählt worden. Heute rollten hier 24.000 bis 25.000 Wagen täglich.

Als die Straße gebaut wurde, seien an verschiedenen Stellen Lärmschutzwände errichtet worden, aber nicht überall, sagt der Bürgermeister. „Wir fordern, dass die noch vorhandenen Lücken vom Bund geschlossen werden“, sagt Sienknecht.

Gemeinsam mit der federführenden Gemeinde klagten sieben Anwohner diesen Lückenschluss ein. Beim Gang durch die Instanzen gab ihnen das Bundesverwaltungsgericht jetzt erstmals Recht. Das Gericht hat den Fall jedoch an das Oberverwaltungsgericht Schleswig zurückverwiesen. „Ob die Kläger einen Anspruch auf nachträgliche Anordnung von Lärmschutzmaßnahmen haben, hängt von weiteren Fragen ab, zu denen das Oberverwaltungsgericht bislang keine Tatsachenfeststellung getroffen hat“, erklärte das Bundesverwaltungsgericht.

Grundsätzlich gibt es den 30-jährigen Anspruch auf nachträglichen Lärmschutz wegen der „nicht voraussehbaren Wirkungen“ einer Planung. Dies sei nicht mit einer falschen Prognose zu verwechseln und setze eine solche auch nicht voraus, fand das Gericht. Nicht voraussehbar sei eine Steigerung des Lärms über die Prognose hinaus auch dann, wenn sie erst nach dem Ende des Prognosezeitraums eintrete. Dass bei den Planungen mit kürzeren Prognosezeiten gearbeitet werde, liege daran, dass weiter als zehn bis 15 Jahre in die Zukunft kaum sichere Voraussagen gemacht werden könnten.

Zusätzlichen Lärmschutz gibt es nach dem Urteil nur dann, wenn der nach der Prognose zu erwartende Lärmpegel um drei Dezibel überschritten wird, oder wenn der Lärm unzumutbar ist: Die Höchstgrenze in Wohngebieten liege tagsüber bei 70, nachts bei 60 Dezibel. GERNOT KNÖDLER