Auferstanden aus Ruinen

Die Zeit der christdemokratischen Schadenfreude ist vorbei: Hamburgs Sozialdemokraten ziehen mit dem Zeit-Herausgeber und früheren Kultur-Staatsminister Michael Naumann als Bürgermeisterkandidaten in den Wahlkampf 2008

VON ELKE SPANNER

Ole von Beust hat einen Herausforderer: Michael Naumann. Bei den Bürgerschaftswahlen 2008 muss der amtierende Bürgermeister von Hamburg gegen einen Mann antreten, der ein ernsthafter Gegner ist. Der Mitherausgeber der Zeit und frühere Kultur-Staatsminister hat gestern der Hamburger SPD sein Ja-Wort zur Kandidatur als Spitzenkandidat gegeben – und die Genossen damit schlagartig aus einer Krise gerettet, die bisher beispiellos ist. Für die Hamburger CDU ist ein Triumph bei den Wahlen damit kein Selbstgänger mehr.

Noch gestern Vormittag sah es so aus, als bräuchte die SPD nächstes Jahr gar nicht erst anzutreten. Es schien, als müsste ein Kandidat seinen Kopf hinhalten, dem von vornherein das Stigma der Drittklassigkeit anhaftet. Der Vorrat an prominenten Hamburger Sozialdemokraten war erschöpft. Nachdem Altbürgermeister Henning Voscherau Montagabend abgewunken hatte, hatte der SPD-Bundesvorstand den Hamburger Fraktionsvorsitzenden Michael Neumann zur Kandidatur gedrängt. Der ist zwar karrierebewusst, waghalsig aber ist er nicht. Mit 36 Jahren ist er außerdem zu jung, um die vorgezeichnete Karriere jetzt auf dem Altar der Parteiräson zu opfern. Kurzum: Neumann gab seiner Partei den nächsten Korb. Aus dem Winterurlaub rief er per Handy an und sagte dankend ab.

Zurück blieb eine verzweifelte „Findungskommission“ mit der schier unlösbaren Aufgabe, die Partei weiterhin auf geeignete Bürgermeister zu durchforsten. Nicht nur in Hamburg, sondern inzwischen bundesweit. Zuletzt war sogar der Name Hans Eichel im Gespräch. Den uncharismatischen Zahlenverwalter gegen den in Hamburg äußerst beliebten von Beust ins Rennen zu schicken, wäre gewesen wie ein Duell Schwiegervater gegen Schwiegersohn.

Naumann aber könnte den Wahlkampf zu einem wirklichen Duell werden lassen. Er steht für einen echten Neuanfang für die Hamburger SPD. Ein Generationswechsel wird mit ihm zwar nicht eingeläutet: Der ergraute Hanseat ist 65 Jahre alt. In der Hamburger Politik aber hat er sich noch nicht die Finger verbrannt. Über Regierungserfahrung verfügt er dennoch: Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) war er Staatsminister für Kultur.

Mit Naumann wäre der Hamburger SPD auch der Weg in eine rot-grüne Koalition eröffnet – anders, als es beim letzten ernsthaften Kandidaten Henning Voscherau gewesen wäre: Der konservative Hanseat war 1997 als Bürgermeister zurückgetreten, weil er keinesfalls eine Koalition mit den Grünen eingehen wollte. Seine tiefe Abneigung gegen die GAL hat er bis heute nicht überwunden. Naumann hingegen kennt solche Berührungsängste nicht: Er war zu Zeiten der rot-grünen Bundesregierung in der Politik.

Bei den Sozialdemokraten in Land und Bund war die Erleichterung gestern groß, dass das Debakel der vergangenen Wochen mit dem Überraschungskandidaten nun mehr zu Ende scheint. SPD-Chef Kurt Beck und Generalsekretär Hubertus Heil betonten, Naumann sei der „richtige Mann“ für Hamburg. Auch die scheidende stellvertretende Landesvorsitzende Dorothee Stapelfeld sah für die Hamburger Genossen wieder eine Zukunft. Obwohl sie selbst gerne Bürgermeisterin geworden wäre und an parteiinternen Intrigen gescheitert ist, behauptete sie kühn, die SPD verfüge nun über ein „starkes Team“ . Ihr einstiger Rivale Matthias Petersen, der wie Stapelfeldt nach dem mysteriösen Stimmenklau bei der Mitgliederbefragung seine Kandidatur zurückziehen musste, bot Naumann seine Unterstützung für dessen „schwierige Aufgabe“ an.

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