Der Retter der hanseatischen SPD

Er ist Journalist, Verleger und nun auch wieder Politiker. Michael Naumann, im Dezember 65 Jahre alt geworden, soll die Hamburger SPD aus der Krise und in den Bürgerschaftswahlkampf führen FOTO: AP

In vielerlei Hinsicht wird er in seiner liebsten und passendsten Rolle jetzt erst kenntlich: der des Retters. Im Frühsommer 1998 war er die Figur, um die herum sich das intellektuelle Spitzenpersonal der Republik auf die Kanzlerkandidatur Gerhard Schröders einstimmen ließ. Ende 2000 – nach gut zwei Jahren als Kulturstaatsminister – wechselte er, bekennenderweise auch aus finanziellen Gründen, auf den Chefsessel der Zeit. Sein Job war es, aus dem tantigen, immer ein wenig nach durchnässtem Kaschmirpulli duftendem Blatt ein modernes Medium zu stricken. Mission erfüllt – und jetzt hat sich Michael Naumann, Jahrgang 1941, bereit erklärt, für die SPD zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2008 in den Wahlkampf zu ziehen – und möglicherweise Ole von Beust als Bürgermeister abzulösen.

Was blieb ihm auch übrig? Zeit-Herausgeber zu sein ist nicht wirklich lebensvorabendfüllend – und die Ankündigung vor gut einem Jahr, so mit Mitte sechzig segeln gehen zu wollen und die Bücher seiner „Loeb Classical Library“ auch zu lesen, klang schon da wie der nicht besonders ernst gemeinte Selbstappell, ein wenig kürzer treten zu wollen. Ist doch gar nicht seine Art und war sie nie. Nicht während des Studiums, seinen Jahren als Rowohlt-Verlagsleiter, auch nicht bei seiner Promotion oder der Arbeit zur Habilitation. Jetzt ist nix mit Wassersport und Kontemplation – sondern, als gefühlte Lebenslage, Rock ’n’ Roll.

Er ist der Heiland einer hanseatischen Sozialdemokratie, die ihren Machtverlust nie verwunden hat – und trotzdem gute Chancen hätte, Ole von Beust abzuhalftern: Dessen Union ist nicht halb so beliebt wie er selbst. Naumann musste es geärgert haben, dass seine Partei sich so hingebungsvoll in Intrigen und Übelrede erging, vor allem in eigener Sache.

Er ist es gewohnt, zwischen einander nicht das Weiße im Auge gönnenden Flügeln zu vermitteln. Wenn sich die Protagonisten der Hamburger SPD einbilden oder erhoffen, ihr nicht aus ihren eigenen Mitten hervorgegangener Notbehelf neige zur gemütlichen Onkelei, irrt sich zum eigenen Schaden. Naumanns Ruf im Kulturstaatsministerium ist noch heute legendär: belesen, hochmütig, absolut juvenil im Stil – und in jeder Hinsicht alphatiermäßig durchsetzungskräftig.

Mit Naumann wird sich die Hamburger SPD auf einen neogroßbürgerlichen Stil einstellen müssen – die Zeit der Bratkartoffelei und des antiökologischen Betonwahns wird sie hinter sich lassen müssen, will sie nicht den steten Zorn ihres Retters auf sich ziehen. Der Mann hat ja ohnehin alle Trümpfe in der Hand: Ohne ihn würde die Sozialdemokratie an der Elbe nicht genesen können.

JAN FEDDERSEN